Migration als Chance

Kaum ein Thema hat in der Vergangenheit so sehr polarisiert wie die Migration seit 2015. Viele Menschen sahen in der Zuwanderung vor allem eine Herausforderung, wenn nicht sogar eine Bedrohung. Ohne es auszusprechen wurde ein Gefühl erzeugt, dass beispielsweise der eigene Arbeitsplatz durch neue Mitbewerber*innen plötzlich doch nicht mehr so sicher sein könnte.

Die Aufnahme von Geflüchteten ist ein Gebot der Menschlichkeit. Menschlichkeit, Hilfe in der Not, sind ethische Grundpfeiler in der SPD und dafür arbeitet die SPD-Fraktion im Bundestag. Leider sehen das unsere Koalitionspartner ganz anders – sie lassen Innenminister Seehofer (CSU) gewähren. Menschlichkeit bekommt keine Mehrheit im Parlament und Flüchtlinge keine Unterstützung. Wenn es eine linke Mehrheit für die Menschlichkeit gäbe, würde es sich lohnen den Koalitionsvertrag aufzukündigen – leider gibt es diese Mehrheit nicht.

Aber wenn schon die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt – wenigstens die Erkenntnis, dass Migration für uns auch eine große Chance ist, könnte sich einstellen. Gerade vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft und einer in Zukunft sinkenden Zahl Erwerbstätiger, die in die Sozialversicherungssysteme einzahlen, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir in Zukunft unseren Sozialstaat aber auch die Produktion aufrechterhalten können.

Die Migration könnte hierbei eine wichtige Rolle spielen. Laut dem Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) benötigen wir eine jährliche Nettozuwanderung von 400.000 Menschen, um das Erwerbspersonenpotenzial (Wie viele Menschen dem Arbeitsmarkt potentiell zur Verfügung stehen) konstant zu halten. Aktuell kommen 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschland, wir bräuchten somit doppelt so viel Zuwanderung. Ganz ohne Zuwanderung würde das Erwerbspersonenpotenzial bis 2060 um 40% sinken, was verheerend wäre.

Viele stellen sich bei solchen Zahlen oft die Frage, wo denn all diese Menschen leben sollen. Nun haben wir in Deutschland etwa 11.000 Gemeinden, alle unterschiedlich groß. Unter dieser Voraussetzung können wir, mit einem adäquaten Verteilungsschlüssel, Geflüchtete auf eine solidarische Art und Weise zwischen den Gemeinden aufteilen. Gemeinden mit mehr Einwohner*innen können natürlich auch mehr Geflüchtete aufnehmen, Gemeinden mit weniger Einwohner*innen müssen natürlich nicht so viele aufnehmen. So können wir gewährleisten, dass die Aufgabe der Integration unserer neuen Mitbürger*innen gerecht verteilt wird.

Bisher schöpfen wir das Potenzial der Migration nicht aus. Die Erwerbstätigenquote unter Geflüchteten beträgt 40%. Geflüchtete tun sich oft schwer eine Beschäftigung zu finden, Gründe hierfür sind häufig die geringe Bildung, aber auch strukturelle bzw. formale  Probleme, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Beispielsweise dauert es oft sehr lange bis ein Asylverfahren abgeschlossen ist, Aufenthaltsberechtigungen sind nicht selten nur befristet. Um dauerhafte Beschäftigungen zu ermöglichen benötigen Arbeitgeber*innen aber Planungssicherheit.

Da im Regelfall nur versicherungspflichtig Beschäftigte in die Sozialversicherungssysteme einzahlen und damit den Sozialstaat unterstützen, sollten wir uns anstrengen die Erwerbstätigenquote unter Geflüchteten zu erhöhen. Arbeit haben wir genug und erst wenn aus Geflüchteten Kolleginnen und Kollegen geworden sind, können wir von einer gelungenen Integration sprechen.

Wenn schon die Menschlichkeit allein nicht ausreicht CDU/CSU zu einer anderen Migrationspolitik zu bewegen, wenigstens in Kombination mit den ökonomischen Interessen könnten sie die Integration etwas entspannter sehen.

Lothar Binding & Niklas Schuhmacher

Wirecard-Skandal: Die Schuldigen sitzen nicht in der Regierung

Wirecard-Manager haben vermutlich fiktives Vermögen bilanziert, um Verluste zu verstecken und echtes Geld auf ihre eigenen Konten umgeleitet. So wurden Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro auf ausländischen Konten angegeben.

An der Prüfung des Falls waren drei Wirtschaftsprüfunternehmen beteiligt. EY, KPMG und die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). EY und DPR haben seit 2015 (da war Wolfgang Schäuble noch Finanzminister) von „angeblichen Unregelmäßigkeiten“ erfahren, aber trotzdem alles positiv beschieden. Erst die KPMG hat ein positives Testat verweigert – ohne aber die Wahrheit wirklich zu finden.

EY hat wahrscheinlich an den Umsatz gedacht und weniger an eine kritische Prüfung. Auf solche „testierte Bilanzen“ greifen viele zurück, Anleger, Banken; die Finanzaufsicht Bafin in Bonn und die ESMA (European Securities and Markets Authority) als europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde.

In den Medien aber, spielt das Versagen der genannten Wirtschaftsprüfer erst allmählich eine Rolle. Bisher wurden der Finanzminister oder sogar die Kanzlerin dafür verantwortlich gemacht. Kurz angemerkt: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung sich um die Bilanzen von DAX-Unternehmen zu kümmern.

Wichtiger wären hier Fragen im Zusammenhang mit anderen Protagonisten am Finanzmarkt: Börsenaufsicht, Börse, renommierte Banken, die Millionenkredite geben und Finanzberater. Niemand hat offensichtlich gemerkt, was bei der Wirecard AG los war. Bei 100 Millionen Euro, wäre das vielleicht zu verstehen (in solchen Kreisen bekanntlich Peanuts) aber bei einem Drittel der Bilanzsumme?

Anstatt sich um die wahren Schuldigen im Wirecard-Skandal zu kümmern, soll wohl jetzt ein schlechtes Drehbuch der Opposition zum Film werden. Insbesondere Linke und Grüne entwickeln neoliberale Tendenzen und tun nun so, als wäre die Regierung verantwortlich für den Betrug der Wirecard-Manager. Wenn wir uns noch recht erinnern, ist es den „echten“ Neoliberalen nach der Weltwirtschaftskrise 2008 gelungen, aus einer Bankenkrise eine Staatsschuldenkrise zu machen.

In der Zwischenzeit hat der Bundesfinanzminister angekündigt, die Finanzaufsicht in Deutschland zu reformieren. Nötig ist laut Scholz, der Bafin ein unmittelbares Durchgriffsrecht zu geben und das bisherige zweistufige Prüfverfahren abzuschaffen. Bisher konnte die Bundesanstalt Unternehmen erst dann selbst prüfen, wenn eine vorgeschaltete Stelle – die privatrechtlich organisierte DPR – Ergebnisse angezeigt hat. Wirecard wird seit einem Jahr von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung geprüft. Der nötige Bericht liegt aber immer noch nicht vor. Die Bundesregierung hat deshalb die Zusammenarbeit mit der DPR gekündigt. Dabei geht es nicht um eine vermeintlich schlechte Arbeit der Prüfstelle, denn in Bilanzfragen besitzt sie profunde Kenntnisse. Forensische Untersuchungen sind ihr aber offensichtlich nicht möglich.

Praktikumsbericht Felix Mersi | 15.06.20 – 10.07.20

Wenn man in diesen Tagen in die Nachrichten schaut, gibt es ein beherrschendes Thema: die Corona Pandemie. Nachdem Deutschland von Mitte März bis Anfang Juni im „Lockdown“ war konnte ich noch vor der Sommerpause des Bundestags ein Praktikum bei Lothar im Abgeordnetenbüro machen. Dies bedeutet aber auch, dass sich ein Teil der Büromitarbeitenden und Abgeordneten noch im Home Office befanden. Die meisten Sitzungen fanden über Gruppenkonferenzen in Videoschalten statt. Sicherlich hätte ich in „normalen Zeiten“ mehr vom politischen Betrieb gesehen, aber ich bin einfach froh, dass ich mein Praktikum überhaupt antreten durfte. (mehr …)

Werbung für Tabakprodukte findet endlich ein Ende

Endlich wurde das Tabakwerbeverbot im Bundestag beschlossen. Mit dieser Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes findet die großflächige Außenwerbung von Produkten der Tabakindustrie ein langsames Ende. Damit holt Deutschland nun endlich ein Stück zu seinen europäischen Nachbarn auf, die bereits seit Jahren ein Werbeverbot für Tabakprodukte haben.

Nachdem CDU/CSU jahrzehntelang ein Tabakwerbeverbot blockiert hat, konnte im Herbst 2019 eine mühsame Einigung gefunden werden. Dies ist leider nur der kleinste gemeinsame Nenner, denn das Gesetz weist leider weiterhin gravierende Lücken auf. Besonders ärgerlich: Verkaufsstellen dürfen weiterhin für Tabakprodukte werben. Kinder und Jugendliche werden also beim Einkauf am Kiosk weiterhin auf die Suchtmittel-Produkte aufmerksam gemacht. Kinder- und Jugendschutz sehen anders aus. Die SPD Fraktion wird deshalb in den kommenden Jahren eine weiterführende Verschärfung des Gesetzes verfolgen, damit Minderjährigen vor dem Konsum dieser Drogen geschützt werden.

Trotz aller Mängel ist diese Gesetzesänderung ein weiterer Erfolg im Kampf gegen eine skrupellose Tabakindustrie und Tabaklobby. Ab 2021 gibt es ein Werbeverbot für Kinofilme die unter 18 Jahren freigegeben sind. Weitergehend wird ab 2022 die Tabak-Außenwerbung verboten. Tabak-Erhitzer dürfen aber noch bis 2023 und E-Zigaretten sogar bis 2024 beworben werden. Es ist sehr bedauerlich, dass die Union trotz aller Beteuerungen den Gesundheitsschutz erneut mit Füßen tritt.

Dennoch steht fest: Mit dem Gesetz zum Tabakwerbeverbot wird ein guter Schritt zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegangen.

Weltnichtrauchertag 2020 – Deutschland bekommt endlich ein Tabakwerbeverbot

Zum heutigen Weltnichtrauchertag lobt SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding den Durchbruch in den Gesprächen mit den Unionsfraktionen. „Nach einer jahrzehntelangen Blockade durch die Fraktionen von CDU und CSU ist die Einigung für ein Tabakwerbeverbot als Erfolg zu werten. Ein großer Erfolg für Rolf Mützenich“, so Binding. Wenngleich das geplante Gesetz noch Lücken aufweise, sei es – gemessen am Status quo – ein entscheidender Schritt, um Deutschlands Rückstand auf andere europäische Länder im Kampf gegen die Verführung der Jugend zum Rauchen zu verringern. Dass die Einigung keine Selbstverständlichkeit war, zeige beispielsweise die Argumentation der FDP im Plenum des Deutschen Bundestages, die den Lobbyisten der Tabakindustrie, die jährlich für über 120 000 Todesfälle allein in Deutschland verantwortlich zeichnen, 1:1 nach dem Munde redeten. Besonders dankte Binding in diesem Zusammenhang Ralph Brinkhaus an der Spitze der Unionsfraktion, der die Blockadehaltung seiner Kolleginnen und Kollegen habe überwinden können. „Dennoch dürfen wir nun nicht nachlassen“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „In vielen Bereichen greift das geplante Gesetz zu kurz. Die Tabakkonzerne wollen auch weiterhin mit aller Macht durch Krankheit und Tod Gewinne machen. Um Werbung an Verkaufsstellen, um Sponsoring, um Kinowerbung müssen wir uns weiterhin kümmern.“ Gleichwohl sei das Gesetz zum Tabakwerbeverbot in Wahrheit ein Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen und ein guter und wichtiger erster Schritt.