Steuerpolitische Vorstellungen der Union

Wahlprogramm der CDU/CSU – Steuer- und finanzpolitische Aussagen

 

Vorbemerkung:

Auffällig sind die gravierenden Unterschiede des CDU/CSU Programms zu seiner Entwurfsfassung. Es fehlen fast alle Zahlen und Festlegungen. Deshalb scheint es schwierig, die fiskalischen Wirkungen zu berechnen.

Allerdings ist einfach, den inneren Grundwiderspruch zu erläutern:

  • Die Schuldenbremse soll gelten, die Schuldenquote bei unter 60 Prozent liegen
    UND
  • es wird weniger Steuereinnahmen, gleichzeitig mehr Ausgaben geben.

So viel Sozialausgaben, so viel Rente kann man gar nicht kürzen, um diesen Widerspruch aufzulösen.

Im SPD-Zukunftsprogramm ist nicht alles festgelegt, im CDU/CSU Programm bleibt vieles vage. Der Unterschied: Die CDU/CSU brauchen diese Unbestimmtheit, um den unauflösbaren Grundwiderspruch zu verstecken.

 

Nun zum Programm:

  1. Steuer- und finanzpolitische Aussagen

 

  1. Generelle Unions-Versprechen

Die Union stellt ihrem finanz- und steuerpolitischen Kapitel folgende generelle Versprechen voran:

  • „Wir werden dafür sorgen, dass alle Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und viel leisten, entlastet werden“ (Zeilen 2445-2446).
  • „Wir werden Freiräume für unsere Unternehmen schaffen…“ (Zeilen 2446-2447)
  • „Gleichzeitig wollen wir so schnell wie möglich ohne neue Schulden auskommen“ (Zeile 2448).
  • Auch außerhalb ihres finanz- und steuerpolitischen Kapitels finden sich generelle Versprechen wie etwa hinsichtlich des Verzichts auf eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern:
  • „Wir treten entschieden allen Überlegungen zur Einführung neuer Substanzsteuern wie der Vermögensteuer oder der Erhöhung der Erbschaftssteuer entgegen. Beides würde vor allem auch die wirtschaftliche Substanz Deutschlands gefährden und Arbeitsplätze kosten.“ (Zeile 1120-1123)

 

  1. Haushaltpolitische Festlegungen

Die Union nennt keine Fristen…

  • „Wir bekennen uns zur grundgesetzlichen Schuldenbremse. … Grundgesetzänderungen zur Aufweichung der Schuldenbremse lehnen wir ab“ (Zeilen 2475 bis 2477).
  • „Wir wollen so schnell wie möglich wieder ausgeglichene Haushalte ohne neue Schulden erreichen und die gesamtstaatliche Schuldenquote auf unter 60 Prozent reduzieren“ (Zeilen 2478-2479).

 

  1. Unternehmensbesteuerung

Es gab ununterbrochen zwei Jahre Ankündigungen, nichts davon im Programm:

  • „Wir wollen die Wirtschaft nach der Pandemie wieder in Schwung bringen. Auf diesem Weg wäre es falsch Steuern zu erhöhen“ (Zeilen 2494-2495).
  • „Im Rahmen eines umfangreichen Entfesselungspakets werden wir mit einer Unternehmensteuerreform die Besteuerung modernisieren und wettbewerbsfähig machen“ (Zeile 2501-2501).

 

  1. Einkommensteuer/ Solidaritätszuschlag

Alles bleibt vage…

  • „Wir wollen … Spielräume, soweit sie sich eröffnen, nutzen, um die Menschen zu entlasten, … damit sie mehr Netto vom Brutto haben.
  • „Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten“ (Zeilen 2511-2512).
  • „Wir werden auf künftig die Wirkungen der sogenannten kalten Progression ausgleichen, indem wir den Einkommensteuertarif regelmäßig an die allgemeine Preisentwicklung anpassen“ (Zeilen 2513-2514).

 

  1. Besteuerung von Ehegatten und Familien

Perspektivisch…

  • „Wir halten am Ehegattensplitting fest…“ (Zeile 2520).
  • „Perspektivisch streben wir den vollen Grundfreibetrag für Kinder an und finden damit den Einstieg in einen Kindersplitting“ (Zeilen 2523-2524).
  • „Wir haben den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auf 4.008 Euro verdoppelt. Wir wollen ihn perspektivisch auf 5.000 Euro weiter erhöhen“ (Zeilen 2525-2526).
  • „Wir werden die steuerliche Berücksichtigung haushaltsnaher Dienstleistungen verbessern“ (Zeilen 2527-2528).
  • „Den Ländern werden wir ermöglichen, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von 250.000 Euro pro Erwachsenem plus 100.000 Euro pro Kind beim erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohnraums zu gewähren.“ (Zeile 2720-2722)

 

  1. Vereinfachung der Steuererklärung

The same procedure …

  • „Wir setzen uns für ein einfaches und verständliches Steuerrecht ein“ (Zeile 2533).
  • „Wir werden dafür sorgen, dass die Steuererklärung, alle Anträge und der Schriftwechsel online erfolgen können“ (Zeile 2536-2537).
  • „Wir werden die Steuererklärung für alle vereinfachen, vor allem für ältere Menschen, die Renten und Pensionen beziehen. Dafür wollen wir die vorausgefüllte Steuererklärung verbessern Hierzu soll bereits ab Frühjahr 2022 für dien Veranlagungszeitraum 2021 eine einfache Anwendung zur Verfügung stehen (Zeilen 2541-2544).

 

  1. Bekämpfung Steuergestaltung, Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb.

Leere Ankündigungen – CDU/CSU haben alles getan um Steuerschlupflöcher offen zu halten…

  • „Wir werden weiter Steuerschlupflöcher schließen, Steuerhinterziehung sowie schädliche Formen des Steuerwettbewerbs wirksam unterbinden und aggressive Steuergestaltungen bekämpfen“ (Zeilen 2551-2553).
  • „Wir werden dabei nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns mit unseren internationalen Partnern abstimmen“ (Zielen 2554-2555).
  • „Wir setzen uns auf OECD-Ebene ebenfalls für eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft ein. Große digitale Konzerne sollen ihre Steuern auch dort zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen“ (Zeilen 2560-2562).
  • „Wir brauchen eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage…“ (Zeile 2563).
  • „Wir werden Umsatzsteuerbetrug weiter eindämmen und Steuerschlupflöcher schließen“ (Zeilen 2568-2569).
  • „Wir setzen uns für eine europäischen Finanztransaktionsteuer mit breiter Bemessungsgrundlage ein. Sie darf jedoch Kleinanleger und die private Altersvorsorge nicht belasten“ (Zeilen 2570-2572).

 

  1. Mitarbeiterkapitalbeteiligung/ Vermögensbildung

Wir dürfen gespannt sein…

  • „Unser Ziel ist es, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter zu verbessern“ (Zeile 2584).
  • „Wir werden den Sparer-Pauschbetrag und die Arbeitnehmersparzulage erhöhen“ (Zeile 2594).
  • „Wir werden die vermögenswirksamen Leistungen stärken und den Höchstbetrag, den Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber erhalten können, erhöhen“ (Zeilen 2595-2596).
  • „Gewinne aus vermögenswirksamen Leistungen sollen nach der Mindesthaltefrist steuerfrei sein“ (Zeilen 2597-2598).

 

  1. Vermögensteuer

Die Reichen werden reicher …

  • Wir lehnen zusätzliche Lasten wie eine Wiedereinführung der Vermögensteuer ab“ (Zeile 2601).

 

  1. Finanzmarktpolitik

Plötzlich entdeckt…

  • „Innerhalb einer starken Banken- und Kapitalmarktunion wollen wir Deutschland zum führenden Finanzstandort, insbesondere für nachhaltige Produkte machen“ (Zeilen 2609-2610).
  • „Wir streben einen eigenen Börsenplatz nach dem Vorbild der NASDAQ an“ (Zeile 2615).

 

  1. Verbraucher- und Anlegerschutz

Gutes Programm – es sei denn es wird ernst…

  • „Auch auf dem Finanzmarkt setzten wir auf einen fairen Wettbewerb, Schutz der Verbraucherinteressen, finanzielle Bildung, Transparenz bei Finanzprodukten sowie eine starke Aufsicht (Zeilen 2621-2623).

 

  1. Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Prima Idee – alle Länder warten auf CDU und CSU …

  • „Uns leitet das demokratische Prinzip klarer Verantwortlichkeit: Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer wofür in unserem Staat Verantwortung trägt. Dazu werden wir die Finanzenbeziehungen von Bund, Länder und Kommunen zeitgemäß ordnen und eine aufgabengerechte Finanzverteilung festlegen. Wir wollen Mischfinanzierung künftig vermeiden und mögliche Nachteile für die Länder und Kommunen im Gegenzug entsprechend durch einen höheren Umsatzsteueranteil ausgleichen. Dabei verfahren wir nach dem Grundsatz: Das Geld folgt der Aufgabe.“ (Zeile 3458-2364)

 

 

  1. Unsere Einschätzung

 

Unsolide Versprechungen

Das Wahlprogramm der Union ist unsolide. Das wird an den generellen Unions-Versprechen deutlich, die sowohl Entlastungen, die Rückführung der Verschuldung als auch eine Absage an Steuererhöhungen vorsehen. So bleibt offen, wie Entlastungen und Investitionen in eine Modernisierung der Gesellschaft konkret finanziert werden sollen.

Gleichzeitig weckt das Wahlprogramm Erwartungen, die es nicht erfüllen kann – eine komplette Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dürfte in der kommenden Legislaturperiode mit schwierigen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat völlig unrealistisch sein. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer wird von vielen Ländern, die die Ertrags- und Verwal-tungshoheit über die Grunderwerbsteuer innehaben, strikt abgelehnt.

 

Verzicht auf Wachstum, Beschäftigung und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Die unfinanzierten Steuerentlastungen und die Priorisierung des Schuldenabbaus führen zwangsläufig zu sinkenden öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Forschung, Gesundheit und Klimaschutz. Die Umsetzung des Programms der Union wird somit zu weniger Wachstum, niedrigerer Beschäftigung und geringerer wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit führen.

 

Vermeidung konkreter Festlegungen

Im Vergleich zu zunächst bekannt gewordenen konkreten steuerpolitischen Ankündigungen bleibt das endgültige Wahlprogramm an vielen Stellen vage.

Sah die Entwurfsfassung noch eine Absenkung der Steuerlast für Unternehmensgewinne auf 25 Prozent vor, wird nun nur noch eine Unternehmensteuerreform angekündigt, die die Besteu-erung modernisieren und wettbewerbsfähig machen soll.

Die Ankündigung einer Anhebung des Kinderfreibetrags auf das Erwachsenenniveau wurde durch Einfügung des Wortes „perspektivisch“ auf unbestimmte Zeit verschoben.

Enthielt die Entwurfsfassung noch einen Steuerabzug für haushaltsnahe Dienstleistungen von 35 Prozent, maximal 5.000 Euro, so soll nun nur noch ihre steuerliche Berücksichtigung verbessert werden.

Die bisher vorgesehene Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags auf 1.250 Euro ist ganz weggefallen.

 

Keine stärkere Beteiligung der Vermögenden und Erben

Die Union lehnt zusätzliche Lasten, wie die Wiedereinführung einer Vermögensteuer ab. Dieser Satz ist nicht nur als Ablehnung einer Vermögensteuer, sondern auch als Verzicht auf eine Erhöhung der anderen vermögensbezogenen Steuern wie der Erbschaftsteuer oder der Besteuerung von Kapitaleinkünften zu verstehen. Die Union verzichtet somit auf eine stärkere Beteiligung der Vermögenden und Erben an der Finanzierung der Krisenlasten aus der Corona-Pandemie.

Die Union eröffnet außerdem mit ihrer Ankündigung, Gewinne aus vermögenswirksamen Leistungen nach der Mindesthaltefrist von der Steuer zu befreien, einen Ausstieg aus der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus privaten Kapitalanlagen.

 

Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuergestaltung – nur international

Die Union bekennt sich zwar wie schon seit Jahren offiziell zu einem Vorgehen gegen Steuerschlupflöcher, Steuerhinterziehung und schädlichen Steuerwettbewerb. Sie ist aber nur zu einem international abgestimmten Vorgehen bereit. Ein nationales Vorangehen oder ein Vorgehen mit einer Gruppe Gleichgesinnter wird damit ausgeschlossen.

 

Keine konkreten Festlegungen beim Verbraucher- und Anlegerschutz

Auch die Ankündigungen beim Verbraucher- und Anlegerschutz sind ohne Ambition.

Wer zahlt die Krise?

Konjunkturpaket, Novemberhilfen, Überbrückungsgelder – die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie kosten viel Geld. Ist das wirklich notwendig? Wer zahlt das alles? Und wie machen das eigentlich andere Länder?

 

Nichts ist teurer als im falschen Moment zu sparen. Ohne Unterstützung würden die  Corona-Viren unsere Wirtschaft in die Knie zwingen: Zunächst würde das Krankenhauspersonal krank, dann die Busfahrer*innen, die Lehrer*innen, einzelne Arbeiter*innen in der KfZ-Branche, in den Chemiewerken, auf dem Bau, im Export, im Import, im Einzelhandel, der Dienstleistungsbranche, im Orchester – nach und nach würden alle Lieferketten reißen. Und das Schlimmste: viele Leute verlören ihre Arbeit und Familien gerieten unter noch größeren Druck.

 

Gigantische Rettungs- und Hilfspakete werden momentan eingesetzt, um Menschen und Unternehmen, durch die Krise zu helfen. Das wichtigste ist das Kurzarbeitergeld zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Rettung von Wissen und Erfahrung in den Betrieben. Zuschüsse, Kredite, Steuerstundung, Verlustrücktrag und Steuersenkung verhindern Insolvenzen und erhalten Arbeitsplätze Sie mildern den Wachstumseinbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ermöglichen Investitionen in Digitalisierung, Innovation und den ökologischen Umbau .

 

Alle diese Maßnahmen sind in der derzeitigen Lage absolut notwendig. Aber wer bezahlt das eigentlich alles und können wir uns das überhaupt leisten?

 

Zunächst nimmt der Staat Schulden auf, Staatsanleihen sind schließlich als sichere Anlage bekannt und beliebt. Es ist gut, wenn der Staat das Geld der Bürgerinnen und Bürger nimmt und klug investiert. So ist das Geld bei der Gemeinschaft gut und sicher angelegt. Der Staat muss nur aufpassen, dass seine Schuldentragfähigkeit stets erhalten bleibt. Die Zinsen dürfen ihn also nicht auffressen. Deshalb ist es gut, wenn die Schulden des Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht zu stark anwachsen. Die Schuldenquote sollte nach den Maastrichter Verträgen bei unter 60 Prozent liegen. Diese war nach der Bankenkrise 2010 auf über 80 Prozent angewachsen, sank dann Anfang 2020 unter die 60 Prozent-Marke und stieg nun mit den Corona-Hilfsmaßnahmen wieder auf über 70 Prozent.

 

Die hervorragende Bonität Deutschlands verdanken wir u.a. auch der guten Arbeit von Olaf Scholz als Bundesfinanzminister, der den permanenten Steuersenkungsforderungen der Wirtschaft nicht nachgegeben hat und seiner guten Haushaltsführung in den letzten Jahren. Um die Schuldenbremse nach der Krise wieder einhalten zu können, wurde mit dem Bundeshaushalt 2020 und der Aufnahme der neuen Schulden auch gleich ein Abbaupfad für die kommenden Jahrzehnte beschlossen. Hier spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Mit den Hilfen wird nach der Krise wieder Wirtschaftswachstum erzeugt. Damit steigt das BIP, die Schuldenquote sinkt und die Schulden fallen weniger ins Gewicht. Sie werden auf lange Sicht marginalisiert und sind später kein Problem. Mit Wachstum – hoffentlich in Richtung Zukunftsinvestitionen – zahlen sich die Schulden also selber ab.

 

Die Schulden sind gut angelegt, weil sie die Wirtschaft stabilisieren und zukunftsfähig machen. Die Alternative wäre verheerend. Denken wir zurück an die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts: Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Unternehmenssterben. Und zusätzlich käme auch noch ein tödlicher Virus hinzu.

 

Bisher gibt es noch keine konkreten Pläne, wie die Schuldenquote, über das Wirtschaftswachstum hinaus, zusätzlich wieder gesenkt werden kann. Dabei ist es klug abzuwarten, wer gut durch die Krise kommt und wer sogar ein „Krisengewinnler“ ist. Wir wissen auch noch nicht, wie sich die Corona-Krise weiterentwickeln und wie lange sie noch andauern wird.

 

Erste Überlegungen gehen in die Richtung, hohe und sehr hohe Einkommen stärker an den Kosten zu beteiligen. Das ist über die Einkommensteuer,  eine Vermögensteuer oder eine (einmalige) Vermögensabgabe denkbar. Das wäre auch gerecht, denn wer gut durch die Krise kommt, sollte sich danach auch an den Gemeinschaftskosten stärker beteiligen. In den 50er Jahren gab es eine Vermögenabgabe von 50 Prozent. Allerdings wurde sie auf 30 Jahre gestreckt und betrug somit weniger als zwei Prozent pro Jahr. Das war erträglich und wurde mit dem „Wirtschaftswunder“ belohnt. Die Wiedererhebung der Vermögensteuer wurde übrigens schon vor der Corona Krise bereits im letzten Jahr auf dem SPD Bundesparteitag beschlossen.

 

Nicht nur Deutschland steht vor der Frage, wie es die Kosten seiner Rettungs- und Hilfspakete finanzieren will.

Frankreich (Schuldenquote 120 Prozent) etwa hofft, dass schon alleine durch Wirtschaftswachstum in Folge der Hilfspakete ein Steuermehraufkommen generiert wird, dass hilft einen Teil der Schulden zu finanzieren. Steuererhöhungen hat die Regierung kategorisch ausgeschlossen. Im Gegenteil, es sind sogar Steuererleichterungen als wichtiger Teil des Paketes vorgesehen. Außerdem sollen die Staatsfinanzen effizienter strukturiert und ausgegeben werden. Das klingt zunächst gut, wird aber Ausgabenkürzungen an anderer Stelle bedeuten. Ob das dem Sozialstaat gut bekommt, wird man sehen.

 

Italien (Schuldenquote 160 Prozent) hingegen baut zu großen Teilen auf Gelder aus dem EU-Hilfspaket zur Überwindung der Covid-19 Pandemie. Damit will Italien ein umfassendes Programm von Investitionen und Reformen durchführen. Die Mittel aus dem eigenen Haushalt sollen besser verwendet werden. Eine genauere Beschreibung ist hier aber noch offen.

 

Die Regierung von Spanien (Schuldenquote 123 Prozent) hat die EU-Kommission informiert, dass sie plant die Einkommensteuer für hohe Einkommen anzuheben, sowie digitale Dienste, nicht wiederverwendbare Kunststoffbehälter und Finanztransaktionen zu besteuern. Außerdem ist eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Getränke mit Zucker und Süßstoffzusatz im Gespräch. Die geplante Absenkung der Unternehmensteuer für den Mittelstand von 25 auf 23 Prozent scheint ausgesetzt.

 

In Portugal (Schuldenquote 137 Prozent) plant die Regierung ihr Hilfsprogramm ausschließlich mit Mitteln aus dem europäischen Hilfsprogramm zu finanzieren. Dabei ist eine Beschränkung auf Zuschüsse vorgesehen. Mittel aus dem europäischen Darlehnsprogramm sollen nicht in Anspruch genommen werden.

 

Beim Blick in die USA (Schuldenquote 130 Prozent) muss man unterscheiden, ob man die Ideen der aktuellen Noch-Regierung von Präsident Trump oder die Pläne der zukünftigen Regierung des neuen Präsidenten Biden betrachtet. Die Trump-Administration plant ein Konjunkturpaket, unter anderem Schecks für Amerikanerinnen und Amerikaner, durch Ausgabenbeschränkungen in allen Haushalten zu finanzieren. Das Volumen für 2021 soll 4,4 Billionen Dollar betragen. Auf Grund des Wahlsieges von Joe Biden wird dieses Programm sicher nur zum Teil umgesetzt werden. Viel mehr plant die Biden Administration Steuererhöhungen für Spitzenverdiener über 400 000 Dollar, sowie eine Erhöhung der Körperschaftsteuer und das Schließen von Steuerschlupflöchern.

 

 

Wir sehen, es gibt verschiedene Möglichkeiten, die „Krise zu bezahlen“ und sich mit den Hilfen wieder in eine Wachstumsphase zu bringen. Dabei ist klar, dass dies nicht auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft passieren darf. Steuererhöhungen für kleine und mittlere Einkommen sowie Einsparungen im Sozialbereich sind daher keine Optionen. Vielmehr müssen wir die die Mittel klug investieren, so dass wir gestärkt und schnell aus der Krise kommen und einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum sozial-ökologischen Wandel gehen können.

 

Lothar Binding, Mitglied des Bundestags, Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

 

Johannes Gorges, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lothar Binding