Drei Milliarden mehr für die Gemeinden

Das im Bundestag am 17. Oktober 2003 verabschiedete Gesetz zur neuen Gemeindewirtschaftssteuer

Achtung, die hier genannten Punkte sind stellenweise durch neuere Gesetze ersetzt oder geändert worden!

 Eine Information für Kommunalpolitiker

Die wichtigste Einnahmequelle einer Gemeinde

Die wichtigste Einnahmequelle einer Gemeinde ist die Gewerbesteuer. Sie ist eine Steuer auf den Gewinn eines Unternehmens. Sie ist der Beitrag der Unternehmen für die von der Gemeinde aufgebaute Infrastruktur. Wir sprechen von dem Interessenband zwischen Unternehmen und Gemeinde, weil beide an wirtschaftlicher Dynamik interessiert sind und einerseits das Unternehmen die kommunale Infrastruktur benötigt, andererseits die Gemeinde das Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen etc.  Dabei wird durch Freibeträge stets sichergestellt, dass nur Unternehmen mit höheren Gewinnen die Steuer überhaupt bezahlen Wußten Sie, dass ein großer Teil aller Unternehmen überhaupt keine Gewerbesteuer bezahlen? Die Steuer liegt bei etwa 10 bis 12% auf den Gewinn, wobei die Personenunternehmen, also z.B. die meisten Handwerksbetriebe, diese an die Gemeinde bezahlten Steuern wieder – wie weiter unten gezeigt – komplett oder fast komplett – zurück erhalten.. Wie bei allen tariflichen Steuerermäßigungen, tritt dieses Ergebnis natürlich nur ein, wenn Steuern, mindestens in Höhe der Ermäßigung, gezahlt werden. Ist dies nicht der Fall, weil z.B. der Unternehmer oder sein mit ihm zusammen veranlagter Ehegatte bei anderen Einkünften Verluste haben, steht der Zahlung der Gewerbesteuer unmittelbar auch keine Ermäßigung bei der Einkommensteuer gegenüber. Da aber langfristig Gewinnstreben vorausgesetzt werden darf, wird langfristig auch der Vorteil überwiegen.

 Verantwortung und Steuergestaltung

Einerseits versuchen deshalb bestimmte Unternehmen ihre Gewinne in der Steuerbilanz möglichst gering darzustellen, denn wenig Gewinn, bedeutet wenig Steuern. Andererseits will der Betrieb natürlich einen hohen Gewinn erzielen, um gegenüber den Anteilseignern bzw. Aktionären seinen Erfolg zu beweisen und auch seine Marktstellung zu festigen. Ein Dilemma? Nicht für die Unternehmen an die ich eben denke. Eigentlich ist klar, dass notwendige betrieblich bedingte Ausgaben eines Betriebs, z.B. wenn er ein Grundstück pachten muß oder eine Maschine leasen, den Gewinn vermindern, weil diese Pacht oder Leasingkosten Ausgaben sind – jedenfalls kein Gewinn! Oder doch? Ein Beispiel – wir nennen es „Gesellschafterfremdfinanzierung“: Ein Unternehmer gibt seinem eigenen Unternehmen ein Darlehen. Es entstehen Zinsen für das Unternehmen, die aber sozusagen an sich selbst, bzw. den Unternehmer zu bezahlen sind. Es könnte auch sein, dass das Unternehmen eine Tochterfirma gründet, auch sehr gut im Ausland möglich, und von der eigenen Tochter eine Maschine mietet – so wird der Gewinn in Deutschland gemindert, und damit die Steuerzahlung in Deutschland, die Kosten aber, bzw. der so verwendete Gewinn bleiben im eigenen Haus bei der Tochter.

Im Ergebnis solcher – wie wir sagen – Steuergestaltungen (keine Hinterziehung, keine Tricks, sondern legale Möglichkeiten… aber ärgerlich für die öffentlichen Einnahmen), erhalten deutsche Kommunen keine Steuern, trotz im Konzern verbleibenden Gewinns. Gleichwohl fahren die Laster dieses Konzerns natürlich auf den Straßen unserer Gemeinde und die Bauleitplanung für Gewerbe und hoch geförderte Gewerbestandorte werden von allen Steuerzahlern bzw. der Kommune bereit gestellt. Viele Unternehmen hingegen beteiligen sich an deren Mitfinanzierung über die Gewerbesteuer wenig bis gar nicht.

 
Die Kommune und die Weltlage

Hauptsächlich aus solchen Gründen der „Steuergestaltung“, aber auch auf Grund der weltweiten Wachstumsschwäche und dem Zusammenbruch vieler Aktienwerte, insbesondere denen des Neuen Marktes, sind die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen stark schwankend und gegenwärtig viel zu niedrig. Außerdem wurden in den 90er Jahren zu viele Aufgaben vom Bund auf die Kommunen übertragen, ohne die Finanzierung sicher zu stellen.

Bundestag in Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden

Aus all diesen Gründen kümmern wir uns um die Reform der Gewerbesteuer, die künftig Gemeindewirtschaftssteuer heißt, um den Charakter der Steuer schon mit dem Namen zu beschreiben. Natürlich in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden: Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag. Die jetzt von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagene Lösung verbessert die Einnahmen der Kommunen um mehr als 3 Milliarden Euro und umfaßt folgende Hauptkomponenten:

Steuermindernde Gestaltungen in verbundenen Unternehmen vermeiden helfen

Steuermindernde Gestaltungen zwischen verbundenen Unternehmen werden verhindert. So werden z.B. Mieten, Pachten, Leasingraten, Lizenzgebühren oder Zinsen für Darlehen, die quasi an sich selbst gezahlt werden als Gewinn aufgefaßt und sind, zu Finanzierungsanteilen von

        25 % für Lizenzgebühren z.B.,

        50 % für Leasing, Mieten Pachten von beweglichen Wirtschaftsgütern und

        50 % für Dauerschuldzinsen

        75 % für Leasing, Mieten Pachten von Grundbesitz und

        100 % für Gewinnanteile stiller Gesellschafter

im Rahmen der Gewerbesteuer zu versteuern, denn „An sich selbst bezahlt“ entspricht ja einer Vorweg-Entnahme von Gewinn. Wir sprechen von „Zurechnungen“ zum Gewinn“. Um eine doppelte Besteuerung dieser Zurechnungen zu vermeiden, kann der Empfänger dieser Zahlungen, diese natürlich ertragsteuerlich geltend machen.

Es wir also nur in den Fällen, in den Mieten, Pachten, Leasingraten oder Lizenzgebühren benutzt werden, um Gewinne zu verstecken und sie der Besteuerung zu entziehen, Gemeindewirtschaftssteuer erhoben.

Keine Doppelbesteuerung

Um eine doppelte Besteuerung dieser Zurechnungen zu vermeiden, kann der Empfänger dieser Zahlungen, diese natürlich steuerlich geltend machen.

Damit werden im Inland Doppelbesteuerungen verhindert. Bei ausländischen Unternehmen kommt es auf die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) an, ob das Land die Gemeindewirtschaftsteuer als Ertragssteuer anerkennt und das Tochterunternehmen sie anrechnen lassen kann. Gegebenenfalls müssten einzelne DB-Abkommen angepasst werden. Für uns gilt der Grundsatz, dass einmal in Deutschland Gemeindewirtschaftsteuer fällig werden soll.

Einheitliche Gesetze für Personenunternehmen und Freiberufler

Für Personenunternehmen und Freiberufler gibt es künftig einen Freibetrag von 25.000 Euro. Für Gewinne von 25.000 bis 35.000 Euro gilt als eine spezielle Mittelstandskomponente, nur der halbe Steuersatz (Steuermesszahl von 1,6). So werden Personenunternehmen und Freiberufler mit nicht so hohen Gewinnen besonders berücksichtigt

Freiberufler, die bisher keine Gewerbesteuer bezahlen, werden in die Gemeindewirtschaftssteuer mit einbezogen, da ein sachlicher Grund für die Ausnahme von der Gewerbesteuerpflicht nicht ersichtlich ist. Auch Freiberufler erzielen Gewinne und partizipieren an der aus Mitteln der Kommunen bereitgestellter Infrastruktur – aber Achtung! Sie sollen zwar die Steuern an die Gemeinde bezahlen, können den gezahlten Betrag aber bis zum 3,8fachen des Meßbetrages mit der Einkommensteuer verrechnen, so dass im Regelfall die „Mehrausgabe“ im Rahmen der Gemeindewirtschaftssteuer vollständig kompensiert wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Verluste aus anderen Unternehmungen bzw. im Rahmen der Zusammenveranlagung nicht zu einer Reduzierung der Einkommensteuerschuld führen, so dass diese niedriger als die gezahlte Gewerbesteuer ist. Hier findet also eine Umverteilung zwischen zwei Steuertöpfen statt: von der Einkommensteuer zur Gewerbesteuer – also vom Bund und den Ländern direkt zur Kommune. Dieser „Umweg“ wäre vermeidbar, aber wir wollen – verfassungskonform – das Hebesatzrecht, also eine Form der Selbstbestimmung der Kommunen, erhalten. Das gewählte Verfahren ermöglicht jeder Kommune wie bisher ihren Hebesatz individuell festzulegen.

Gewerbesteuerumlage wird gesenkt

Ergänzend – um eine schnelle Verstärkung der Kommunalfinanzen – zu erreichen, wird die Gewerbesteuerumlage von 29% auf 22%, ab 2006 auf 19%, gesenkt. Das heißt, die Kommunen müssen weniger an den Bund abführen.

Das Steuersystem wird vereinfacht

Das Steuersystem wird vereinfacht, in dem die fünfstufige Staffelung des Steuersatzes, der sogenannten Steuermesszahlen von 1% bis 5% wegfällt und durch einen einheitlichen Satz von 3,2% ersetzt wird. Lediglich für Gewinne von 25.000 bis 35.000 Euro gilt als eine spezielle Mittelstandskomponente nur der halbe Steuersatz (Steuermesszahl von 1,6). Für Personenunternehmen und Freiberufler gibt es darüber hinaus künftig einen Freibetrag von 25.000 Euro. So werden Personenunternehmen und Freiberufler mit nicht so hohen Gewinnen besonders berücksichtigt.

Die Gemeindewirtschaftssteuer für die Unternehmen ist künftig keine Betriebsausgabe mehr, zum Ausgleich wird der Steuersatz, also die Steuermesszahl, auf einheitlich von 5% auf 3,2% gesenkt.

Personenunternehmen dürfen künftig den Meßbetrag mal 3,8 nehmen und von der Einkommensteuer abziehen, sodass damit die Gemeindewirtschaftsteuer den Kommunen sehr hilft, sie aber gleichzeitig durch die Anrechnung bei der Einkommensteuer an diese Unternehmen über die an diesen beteiligten natürlichen Personen  zurückfließt.

Für Körperschaften, also AG, GmbH etc. gibt es keinen Freibetrag und auch keinen halben Steuersatz in der Gewinnzone von 25.000 bis 35.000 Euro.

Zusammenfassung und weiterführende Informationen

Insgesamt ist der Vorschlag Gemeindewirtschaftsteuer also eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung und er führt zu einer deutlichen Verstärkung und Verstetigung der Einnahmen der Kommunen.

Weiterführende Informationen:

www.spdfraktion.de

www.bundes-sgk.de

Modellrechnung für eine Personengesellschaft oder einen Freiberufler

       
Gewinn (Euro)

100.000

zu versteuern (Euro) mit Meßzahl

(%)

ergibt Meßbeträge

(Euro)

0 bis 25.000 25.000 Null 0
25 bis 35.000 10.000 1,6% 160
35.000 bis Gewinn 65.000 3,2% 2.080
Summe = Meßbetrag     2.240
Meßbetrag mal Hebesatz ergibt Steuereinnahme der Gemeine

Beispiel Hebesatz 400%

Meßbetrag mal Hebesatz Gemeinde-wirtschaftsteuer
2.240 * 400% 8.960
 

Das 3,8-fache des Meßbetrags wird auf Einkommensteur angerechnet

Meßbetrag mal Erstattungsfaktor

Erstattung

2.240 * 3,8 8.512
      Plus davon 5,5% Soli-Zuschlag
      468
      8.980

 Gemeinde bekommt also 8.960, die Personengesellschaft bekommt 8.512 Euro plus den Solidaritätszuschlag in Höhe von davon 5,5%, also 468 Euro zurückerstattet, ihre Steuerlast beträgt tatsächlich minus 20 Euro pro Jahr.

Modellrechnung für Körperschaft (AG, GmbH etc.)

       
Gewinn (Euro)

100.000

zu versteuern (Euro) mit Meßzahl

(%)

ergibt Meßbetrag

(Euro)

0 bis Gewinn 100.000 3,2 3.200
Meßbetrag mal Hebesatz ergibt Steuereinnahme der Gemeine

Beispiel Hebesatz 400%

Meßbetrag mal Hebesatz Gemeinde-wirtschaftsteuer
3.200 * 400% 12.800

Modellrechnung für eine Körperschaft im Unternehmensverbund

Zurechnung von z.B. Leasinggebühren an eigenes Unternehmen, also „an sich selbst“

       
Gewinn (Euro)

100.000

zu versteuern (Euro) mit Meßzahl

(%)

Ergibt

(Euro)

Leasinggebühren

80.000

     
0 bis Gewinn 100.000    
½ von 80.000 (= 50% bei Leasinggebühren) 40.000    
Gewinn plus Zurechnung 140.000 3,2 4.480
Meßbetrag mal Hebesatz ergibt Steuereinnahme der Gemeine

Beispiel Hebesatz 400%

Meßbetrag mal Hebesatz Gemeinde-wirtschaftsteuer
4.480 * 400% 17.920

Rede im Plenum zur Neuverschuldung und zur Diskussionskultur im Bundestag

Plenum, 15. Oktober 2003

Deutscher Bundestag ? 15. Wahlperiode ? 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003

Herr Präsident!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu den Inhalten komme, etwas zur Diskussionskultur und im Grunde genommen auch zur Beliebigkeit der gewählten Argumente sagen. Es gab einen Zwischenruf von Herrn Kampeter, der lautete: Das glaubt hier ja keiner mehr! ? In einem von ihm mitformulierten Antrag findet man die Wörter Vorhersehbarkeit, Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit. An einem ganz kleinen Beispiel will ich deutlich machen, was er darunter versteht: Er hat ja vorhin gesagt, Herr Eichel spreche zurzeit in ?Phoenix? vor Lobbyisten. Einmal abgesehen davon, ob das stimmt, halte ich es für eine starke Leistung, wenn ein Minister in der Öffentlichkeit seine Lobbygespräche führt. Das gefällt mir jedenfalls besser, als wenn er es hinter verschlossenen Türen täte, um dann entsprechende Anträge zu lancieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des

BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Steffen

Kampeter [CDU/CSU]: Das Parlament ist hier! ? Weitere Zurufe von der CDU/CSU)? Da kann man gut einen Zwischenruf machen. Ich höredas gerne.

Die Wahrheit ist aber, dass Eichel nicht bei ?Phoenix? vor Lobbyisten spricht, sondern dass der Kanzler mit Kolleginnen und Kollegen auf einer IG Metall-Konferenz ist, die von ?Phoenix? übertragen wird.

Sie sehen an diesem kleinen Beispiel deutlich, wie hiermit Wahrheit umgegangen wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Zuruf von der CDU/CSU: Und mit dem Parlament! ?Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit!)

Jetzt komme ich zu dem ersten Argument, dem wichtigsten von denen, die Herr Austermann eingangs formuliert hat. Er sprach von schonungsloser Aufklärung. Sein nächster Satz lautete: Wir haben einen absoluten Nachkriegsrekord bei der Nettokreditaufnahme.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Richtig!)

Das könnte, oberflächlich betrachtet, wahr sein. Wenn man aber noch einmal genauer hinschaut, stellt man fest, dass das nicht unbedingt wahr ist. Was sagt denn eigentlich die Nettokreditaufnahme aus, wenn man sie nicht ins Verhältnis zur Gesamtleistung des Volkes setzt?

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ist also alles gar nicht so schlimm? ? Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Schönredner!)

Wir müssen also die Neuverschuldung stets im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sehen. Sie erinnern sich hoffentlich besser als in Bezug auf das, was ?Phoenix? überträgt, daran, dass 1996 das Verhältnis Neuverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt 2,2 Prozent betrug, 1993, in einer absolut starken Wachstumsphase, 2 Prozent, seit 1999 übrigens 1,3 Prozent und heute wieder ? man höre und staune ? bei 2 Prozent liegt,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Also garnichts Besonderes?)

also durchaus in einer Bandbreite, wie Sie sie vorgegeben haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da gab es aberSpielraum!)

? Ja, es gibt heute weniger Spielraum, da haben Sie Recht: Ihre Regierung konnte in einer absoluten Wachstumsphase handeln, während wir es heute mit einer weltweiten Wachstumsschwäche zu tun haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? SteffenKampeter [CDU/CSU]: Werfen Sie uns jetzt Wirtschaftswachstum vor?)

Wenn Sie die Nettokreditaufnahme und die Gesamtausgaben vergleichen, werden Sie sehen, dass das Verhältnis heute deutlich besser ist als in vielen Jahren unter Kohl.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was reden Sie für einen Quatsch! ? Heinz Seiffert [CDU/CSU]:Wirklich wahr!)

Jetzt komme ich zu der Summe von 40 Milliarden Euro Neuverschuldung. Damit hatten wir nicht gerechnet; dennwir hätten nicht gedacht, dass die CDU/CSU die Finanzierung dieses Staates in einer so verantwortungslosen Weise untergräbt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ? Lachen bei der CDU/CSUund der FDP)

Das lässt sich mit drei einfachen Zahlen ganz leicht belegen: Wir haben ein Steuervergünstigungs-, also Schlupflochabbaugesetz und ein Gesetz zum Subventionsabbau vorgelegt, die Sie ziemlich rundheraus abgelehnt haben.

(Otto Fricke [FDP]: Sie im Bundesrat doch auch! ? Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war eine gemeinsame Beschlussfassung!)

Das hat den Bund über 6 Milliarden Euro, die Länder über 6 Milliarden Euro und die Kommunen fast 3 Milliarden Euro gekostet, was in den Kommunen heute dramatische Folgeprobleme aufwirft. Deshalb denke ich, dass es sehr viel geschickter gewesen wäre, wenn Sie uns nicht beschimpft, sondern sich mit uns gemeinsamum die Finanzierung gekümmert hätten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/

DIE GRÜNEN ? Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das haben wir gemeinsam beschlossen!)

Besonders merkwürdig fand ich die Einlassung von Herrn Austermann zum Stichwort ?Versicherungen? und die Behauptung, dass wir sozusagen Politik auf Zuruf der Lobbyisten machten.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Stimmt!)

Sie kennen sicher die auch von Ihnen im Vermittlungsausschuss mitgezeichnete Protokollerklärung der Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz

sehr gut.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir zeichnen keine Protokollerklärung der Bundesregierung!)

Schon dort war angekündigt, dass genau dieser Komplex noch einmal hinterfragt werden solle. Die Sache ist ganz einfach erklärt: Bei Lebensversicherungen hat der Kunde eine Auszahlungsgarantie von 90 Prozent der Gewinne.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Erklären Sie das besser Ihrer Fraktion! Die hatte eine Sondersitzungdeswegen!)

Bei Krankenversicherungen liegt die Auszahlungsgarantie bei 80 Prozent. Das ist eine Mindestrendite. Das bedeutet, wenn die Aktienkurse der Versicherung steigen, dann erhalten die Kunden eine entsprechend hohe Ausschüttung. Nach der hohen Ausschüttung, die dem Kunden zugute kommt, hat die Versicherung niedrige Steuern.Wenn aber die Börsenwerte fallen und die Ausschüttung niedrig ist, sind die Steuern plötzlich extrem hoch.

(Otto Fricke [FDP]: Der Aktienkurs hat nichts mit der Ausschüttung zu tun!)

Daran erkennt man sofort, warum es extrem wichtig ist, die Versicherungen anders zu behandeln als eine normale Aktiengesellschaft, die über die Kumulation ihrer Gewinne und die Höhe der Ausschüttung selbst entscheiden kann.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer hat denn dieses Verfahren eingeführt? ? Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bar jeder Sachkenntnis!)

Ein letzter Satz: Was schlägt die CDU/CSU eigentlich vor? Sie verlangt einen Nachtragshaushalt, schnell und sorgfältig ausgearbeitet. Jeder weiß, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nächste Woche neu betrachtet wird. Genau das wird die Basis für den Nachtragshaushaltsein.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dann würde ich den Haushalt 2004 sofort zurückziehen!)

Es kommt aber noch schlimmer.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege ? ?

Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Noch einen letzten Satz. ?

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Der Mann muss ausreden!)

Sie haben auch einen inhaltlichen Vorschlag gemacht, nämlich eine Ausgabensperre zu verhängen. Sie wissen genau, dass eine Ausgabensperre die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verstärken würde.

Dieser Vorschlag ist für uns nicht akzeptabel.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Keine neokeynesianischen Theorien, bitte!)

Deshalb fordere ich Sie auf, das Haushaltsbegleitgesetz mitzutragen; denn das ist eine vernünftige Basis für eine solide Haushaltsführung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist vielleicht nahe liegend, aber nicht zwingend nötig, dass bei einer Debatte über die bislang höchste Neuverschuldung in einem Jahr auch der Lärmpegel das bisher höchste Niveauerreicht.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg][SPD])

Der Verständigung untereinander dient es, wenn abwechselnd gesprochen wird, denn dann bekommt man eher etwas von den Argumenten mit, die jeweils vorgetragen werden, seien sie nun mehr oder weniger überzeugend.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie das Herrn Kampeter!)

Rede im Plenum zur Neuverschuldung

Plenum, 15. Oktober 2003

Deutscher Bundestag ? 15. Wahlperiode ? 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003

Herr Präsident!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu den Inhalten komme, etwas zur Diskussionskultur und im Grunde genommen auch zur Beliebigkeit der gewählten Argumente sagen. Es gab einen Zwischenruf von Herrn Kampeter, der lautete: Das glaubt hier ja keiner mehr! ? In einem von ihm mitformulierten Antrag findet man die Wörter Vorhersehbarkeit, Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit. An einem ganz kleinen Beispiel will ich deutlich machen, was er darunter versteht: Er hat ja vorhin gesagt, Herr Eichel spreche zurzeit in ?Phoenix? vor Lobbyisten. Einmal abgesehen davon, ob das stimmt, halte ich es für eine starke Leistung, wenn ein Minister in der Öffentlichkeit seine Lobbygespräche führt. Das gefällt mir jedenfalls besser, als wenn er es hinter verschlossenen Türen täte, um dann entsprechende Anträge zu lancieren. (mehr …)

Rede zum Haushaltsplan Sport

Rede zum Haushaltsplan Sport

Plenum, 4. Juni 2003

Rede zum Haushaltsplan Sport

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Lothar Binding, SPD-Fraktion.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Redet da auch mal ein Innenpolitiker?)

Lothar Binding (Heidelberg) (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!

Über die Bedeutung von Sport, Breitensport und Spitzensport, besteht große Einigkeit. Deshalb möchte ich all den Berichterstattern Dank aussprechen, die in diesem Bereich sehr gut zusammengearbeitet haben. Das gilt parteiübergreifend. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sport hat auch politisch eine große Bedeutung; denn er schafft Fairness, Integrationskraft, Kameradschaft, Gesundheit, aber auch Vorbilder. Ich möchte auch dem Minister danken; denn der Minister hat mit seinen Mitarbeitern, Fritz Rudolf Körper und Ute Vogt als Parlamentarischen Staatssekretären, aber auch den Abteilungen eine wirklich hervorragende Vorlage geliefert und die Sportförderung auf hohem Niveau stabilisiert. Ich möchte noch einer dritten Gruppe danken und dies mit einer kleinen Geschichte einleiten.

Klaus Staeck hat mir Folgendes erzählt: Er kommt in ein großes Gebäude und sieht einen Hausmeister, der sich im Fernsehen ein wichtiges Rennen der Formel 1 anguckt. Darauf sagt er: Es ist ja schade, dass der Fahrer keine Steuern in Deutschland zahlt. (Zuruf von der SPD: So ist es!) Der Hausmeister erwidert, der riskiere ja auch sein Leben. Klaus Staeck darauf: Jeder Feuerwehrmann bei uns im Staat riskiert sein Leben, aber er zahlt seine Steuern in Deutschland und trägt dazu bei, dass wir die Förderung des Breiten- wie des Spitzensports betreiben können. Jetzt wird die CDU/CSU sagen, es sei kein Wunder, dass der mit seinem hohen Einkommen ins Ausland geht, die Steuern seien zu hoch. Ich meine, so wie der Hausmeister und der Feuerwehrmann ihre Steuern in Deutschland bezahlen – dafür möchte ich ihnen danken -, kann auch jemand, der 40, 30, 10 oder vielleicht auch nur 5 Millionen Euro an Jahreseinkommen hat, eben sehr wohl hohe Steuern entrichten, und zwar in Deutschland, denn er wurde hier sozialisiert und er hat seine momentane Leistungsfähigkeit, die ihn vielleicht nach vorn bringt, letztendlich auf dem Rücken dieser Gesellschaft entwickelt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher glaube ich, dass wir uns mit denjenigen, die mit Auslandskonten mehr Erfahrung haben als ich, darüber unterhalten müssen, als Spitzensportler Verantwortung auch im Sinne der eigenen Vorbildfunktion wahrzunehmen. Mit Blick auf die erfolgreich vorangeschrittenen Sanierungen und Modernisierungen der Stadien in Berlin und Leipzig können wir feststellen, dass die Sportförderung im Jahr 2003 mit einem Ansatz von mehr als 130 Millionen Euro stabilisiert wird. Diese sehr deutliche Aussage erkennen wir auch daran, dass für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports 70 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Bundesportfachverbände erhalten 18 Millionen Euro. Für das Personal im Bereich Leistungssport stehen ebenfalls 18 Millionen Euro bereit, für Olympiastützpunkte und Bundesleistungszentren 26 Millionen Euro und für Behindertensport 3 Millionen Euro. Für zentrale Maßnahmen des Breitensports bleibt auch noch ein sehr nennenswerter Betrag. Das Bundesinnenministerium kümmert sich aber auch um eine sehr wichtige Einrichtung, die Welt-Anti-Doping-Agentur, und finanziert diese zur Hälfte. Ich halte dies für eine sehr wichtige Aufgabe. Die Förderung in der vorgesehenen Höhe bringt diese Institution erheblich voran. Darüber hinaus ist der Sportstättenbau für den Hochleistungssport sehr wichtig; er kann mit einem Zuwachs rechnen.

Die Förderung hierfür hat mit über 19 Millionen Euro ein sehr hohes Niveau erreicht. Für das Kulturprogramm der Fußballweltmeisterschaft waren im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung insgesamt 30 Millionen Euro angesetzt. Zum Leidwesen des Ministeriums haben wir die für das Jahr 2003 veranschlagten 5 Millionen Euro um 1 Million Euro vermindert. Dies geschah jedoch zugunsten einer sehr wichtigen Sache, nämlich des Goldenen Planes Ost, der als Sonderförderprogramm für den Breitensport in den neuen Ländern eine überragende Bedeutung hat. Das Besondere daran ist, dass man damit investive Mittel induziert, die von den Ländern und den Kommunen hinzu gegeben werden, sodass dies auch unter wirtschaftspolitischem Aspekt eine sehr sinnvolle Maßnahme ist. Somit konnte die Förderung in dem Programm Goldener Plan Ost auf nunmehr 10 Millionen Euro definiert werden. Darüber hinaus wird das Bundesinstitut für Sportwissenschaften mit 5 Millionen Euro gefördert. All diese Maßnahmen zeigen, mit welchem Engagement das Innenministerium und letztendlich auch die Berichterstatter und der Haushaltsausschuss auf diesem Gebiet agieren.

(Beifall bei der SPD)

An diesem Programm erkennt man, dass es sich um einen Wettkampf der Ideen handelt. Wettkampf ist durchaus ein Begriff aus dem Bereich des Sports. Wenn man aber die Debatte eine Zeitlang verfolgt hat, merkte man, dass es kein Wettkampf der Ideen, sondern ein Wettkampf der Beleidigungen, Unverschämtheiten und Dramatisierungen war. Das ist etwa so, als ob es beim Fußball nicht das Ziel wäre, Tore zu treffen, sondern die Schienbeine des Gegners,

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da sind sie unschlagbar!)

also hier des politischen Gegners. Das kann so weit führen, dass der Gegner vorübergehend keine Tore schießt; sportliches Verhalten ist das nicht. Ich möchte dies mit einer kleinen Beobachtung belegen, die man hier vor etwa einer Stunde machen konnte. Da sagte Herr Scheuer, es sei doch eigentlich nicht zu verantworten, dass man die Stimmung im Land vergifte. Derselbe Kollege begann seine Rede mit der Feststellung – da dachte ich noch, das liegt vielleicht daneben, aber man kann es tolerieren -, das Programm sei „DDR light“. Aber er verstieg sich dann zu einer beleidigenden Formulierung gegenüber Innenminister Schily. Ich vermisse noch immer die öffentliche Entschuldigung des Kollegen Scheuer im Plenum.

(Zuruf des Bundesministers Otto Schily)

– Er hat sich bei Ihnen entschuldigt. Dann mag es in Ordnung sein. Trotzdem denke ich, er sollte sich öffentlich entschuldigen. Wer die Debattenbeiträge der CDU/CSU im Haushaltsausschuss zu nur zwei Tagesordnungspunkten einmal etwas genauer analysiert, der wird folgende Worte in diesen Beiträgen finden. Die Sätze beginnen grundsätzlich mit – manche Kollegen werden sich wieder finden -: es ist zu hören, ich bekomme Informationen, ich habe Gerüchte gehört, Kollege Sowieso hat behauptet. Dann kommt eine Sequenz von folgenden Begriffen: Lüge, Trugbild, kaschieren, tricksen, verschleiern, Legendenbildung, falsche Zahlen, Täuschung, einseitig, dauerhaft verfehlt, die Bedrohung bleibt, schuldig gemacht, einfach dumm, missverständlich, bürokratisches Monster, beratungsresistent, lückenhaft, entlarven, Schimäre, Hirngespinst, Klientelbefriedigung, ungerecht, einseitig, durch und durch verfehlt, bedrohlich, Bedrohung bleibt, massiv beschädigt – ich zitiere nur die CDU/CSU -,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es gerade nötig!) täuschen, tricksen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Schwachstromelektriker!)

– Ihr Zuruf zeigt, dass Sie sich in der Physik nicht so gut auskennen. Aber das verzeihe ich Ihnen gern. Ich zitiere weiter die CDU/CSU: Lasten, fatal, missbräuchlich, unterlaufen, europarechtswidrig, verfassungswidrig, schmähliches Dokument des Versagens, Sanierungsfall, ruinös. So viel aus den Mitschriften von Äußerungen, die zu zwei Tagungsordnungspunkten im Haushaltsausschuss gefallen sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie zukünftig um einen fairen und sportlichen Wettkampf der Ideen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)