Gedanken zur aktuellen Debatte über die Regierungsbildung

Aktualisierte Fassung vom 29. November 2017

Seit Linder und Merkel mit ihren Plänen einer schwarz-gelb-grünen Koalition und damit der Regierungsbildung gescheitert sind, haben mich viele verschiedene Zuschriften erreicht. Die einen fordern, die SPD solle unbedingt in die Opposition gehen. Andere fordern unbedingt Gespräche mit der Union zu führen, um eine erneute Große Koalition zu bilden. Es gibt auch die gegenteilige Forderung: allein auf Neuwahlen zu drängen. Oder weiter: wir sollen zwar Koalitionssondierungsgespräche mit der CDU führen, aber ohne schon eine Große Koalition anzustreben. Minderheitsregierungen mit unterschiedlichen Szenarien werden vorgeschlagen, aber auch eine Koalition aus CDU/CSU, Grünen und SPD. Auch die Idee Kanzlerwechsel nach zwei Jahren in einer Großen Koalition erfreut sich einer gewissen Beliebtheit. Damit sind die wichtigsten Vorschläge genannt. In fast allen Zuschriften wird erwähnt, dass wir auf „die Basis“ oder „das Volk“ hören sollen, die der jeweilige Absender, die jeweilige Absenderin hinter sich weiß.

In einer ersten Konsequenz habe ich zu einer öffentlichen und zu einer parteiöffentlichen Ortsvereins-Vorsitzenden-Konferenz eingeladen, um über unsere Position im Wahlkreis Heidelberg-Weinheim zu beraten.

Einige Zuschriften zeigen auch den Schock darüber, wie leichtfertig die FDP ihre Selbstvermarktung und Selbstüberschätzung fortsetzt und auch nach der Wahl gegen jegliche Verantwortung eintauscht. Da gab es viel Theater auf dem Rücken der Bevölkerung und es wurde viel Zeit verloren.

Etwas irritiert bin ich darüber, dass inhaltliche Ziele und programmatische Aussagen bzw. Vorhaben in den wenigsten Zuschriften eine Rolle spielen.

Jedenfalls sollten wir alle Möglichkeiten einer Regierungsbildung – mit und ohne uns – sehr gut gegeneinander abwägen. Die SPD konnte in den vergangenen beiden Großen Koalitionen sehr viele gute Dinge umsetzen (Kurzarbeitergeld, Mindestlohn, …). Wir mussten dafür aber oft großen Unsinn mitbeschließen (z.B. die Maut) oder haben auf Druck von CDU/CSU Gesetze mit riesigen Schlupflöchern (Erbschaftsteuerreform) oder gar fast unwirksame Gesetze beschlossen (Gesetz gegen Kassenbetrug). Den Kampf gegen Steueroasen, der insbesondere nach der Veröffentlichung der Panama Papers wieder Fahrt aufgenommen hatte, wurde von der Union nur sehr halbherzig unterstützt. Auch bei den Paradise Papers werden das öffentliche Geschrei und die möglichen Maßnahmen (Gesetze) umgekehrt proportional sein: Je grösser das Geschrei, umso lächerlicher der konkrete Wille der Union zur Bekämpfung der Steuerschlupflöcher.

Es bleibt festzuhalten, dass eine erneute Große Koalition eine Koalition aus drei Wahlverlierern wäre. CDU, CSU und SPD haben zusammen 14 Prozentpunkte verloren. Ein Signal, das die SPD nach dem 24. September ernst genommen hat, indem Martin Schulz ankündigte, nicht wieder für eine Große Koalition zur Verfügung zu stehen. Wir müssen auch überlegen, was eine erneute Große Koalition bedeuten würde. Der Deutsche Bundestag würde eine Oppositionsführerschaft bekommen, die die demokratische Grundordnung unseres Staates ablehnt und zerstören will. Wir brauchen eine ehrliche Opposition, die unser Land voranbringen will, keine falsche Opposition, die uns in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückkatapultieren will.

Wohin uns eine Große Koalition als Dauerzustand führen kann, konnte man vergangenen Monat in Österreich sehen, wo nun wahrscheinlich eine stramm konservative One-Man-Ego-Show mit den Rechtspopulisten regieren wird.

Wenn es Verlierer einer Wahl gibt, so gibt es auch Gewinner. Wenn sich aber nun der große Gewinner der Bundestagswahl, die FDP, die ihr Ergebnis mehr als verdoppeln konnte, einfach aus dem Staub macht, wird sie ihrer Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wähler nicht gerecht. Und die Begründung von Christian Lindner für den Abbruch der Gespräche war doch eher dürftig. Man könnte sich die Frage stellen, ob er jemals ernsthaft regieren wollte. Wer sich die Sondierungspapiere anschaut sieht schnell, dass daran gezweifelt werden muss. Viel Show, viel Theater… und das ist übrigens auch nicht genug für eine ernsthafte und konstruktive Opposition.

Bei der aktuellen Debatte über eine erneute Große Koalition, andere Konstellationen oder mögliche Neuwahlen verstehe ich die Eile nicht. Wir haben eine geschäftsführende Bundesregierung, die nach wie vor ihre Arbeit macht. Die SPD-Ministerinnen und Minister stehen dort zu ihrer Verantwortung. Es gibt also genügend Zeit, innerhalb der SPD über mögliche weitere Schritte nachzudenken und zu diskutieren. Wenn ich sage innerhalb der SPD, meine ich auch innerhalb der SPD und nicht über lautstarke Zwischenrufe einiger Genossinnen und Genossen in irgendwelchen Medien. Damit lässt sich vielleicht Machtpolitik betreiben, aber sicher keine Gesellschaftspolitik. Wer sich übereilt und überhitzt in der Öffentlichkeit zu Wort meldet, schränkt in Wahrheit den Entscheidungs- und Debattenraum der Partei (das sind wir) ein.

Wie schon angedeutet: Mit den beiden Möglichkeiten Große Koalition oder Neuwahlen sind noch nicht alle Möglichkeiten abschließend aufgezählt. Es bleibt ja immer noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung in verschiedensten Farbkombinationen und der Frage, wer schließlich wen toleriert. Sollte die Kanzlerin dann immer noch Angela Merkel heißen, würde das für sie natürlich schwierig werden. Auch wenn sie das bisher noch niemals geübt hat: die Bundeskanzlerin müsste ihre Politik erstmals substantiell fachlich begründen, eigene Vorschläge machen und Entscheidungen treffen. Die Entscheidungsschwäche zu überwinden, nicht wie das Fähnchen auf den Wind zu warten, bevor es zu flattern anfängt… das wäre gut für unser Land.

Egal in welcher von uns tolerierten Minderheitsregierung oder Regierungsbeteiligung. Alles geht nur, wenn dabei wichtige sozialdemokratische Themen umgesetzt werden.

Die Inhalte müssen dominieren, aber so, dass der Preis dafür nicht irrational ist. Als wichtigste Punkte seien dabei zu nennen:

  • die Stabilisierung unserer sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Rente (mit 67 flexibel)
  • die Einführung der Bürgerversicherung in der Kranken- und der Pflegeversicherung
  • ein gerechtes Steuersystem,
    • das 1. auch mit nationalen Maßnahmen Schlupflöcher schließt
    • und 2. starke Schultern auch stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls
      beteiligt
  • die entschiedene Arbeit gegen Steuervermeidung und Steueroasen
  • die Arbeit für ein starkes und solidarisches Europa
  • Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
  • bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Förderung von Familien und Kindern, Einsatz gegen Kinderarmut
  • der ökologische Umbau der Produktionslandschaft, insbesondere der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zum Schutz von Klima, Umwelt und künftigen Generationen
  • ein Zukunfts- und Investitionsplan zu den Themen Bildung, Wohnen, Digitalisierung und Verkehr innerhalb und außerhalb der Oberzentren.
  • die Anknüpfungen an die Überlegungen von Martin Schulz
    • zur Überarbeitung von ALG II (Respekt der Lebensleistung),
    • der Sonderarbeitsformen (Befristung, Leiharbeit, Zeitarbeit, Werkvertrag,…)
    • und der Verbeitragung in der betrieblichen Altersvorsorge (GMG –
      Gesundheitsmodernisierungsgesetz).
  • die Verankerung unserer Vorstellungen zum Thema Migration:
    • Asyl ist unantastbar,
    • Kriegsflüchtlinge behalten ihre Schutzstatus,
    • Armutsflüchtlinge bekommen Aufenthalt nach einem neu zu schaffenden Einwanderungsgesetz
    • Entwicklungszusammenarbeit (EZ) auf neue Füße stellen – mit dem Fokus auf
      Klimaflüchtlinge
  • unterschiedliche Friedensprojekte – deutliche Reduzierung der Waffenexporte, Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbots, keine Atomwaffen in Deutschland, ODA-Quote, …

Ich möchte nicht wieder Teil einer Großen Koalition werden, da ich die Gemeinsamkeiten zwischen SPD und CDU zu großen Teilen aufgebraucht sehe.

Die Frage ist allerdings, ob Neuwahlen ein anderes Ergebnis als die vergangene Bundestagswahl bringen werden. Von daher möchte ich auch keine Neuwahlen.

Aber die eigenen Wünsche lassen sich nicht immer zu 100% umsetzen, manchmal wünscht man sich sogar das Unmögliche… umso wichtiger ist daher, einen breit angelegten Diskussionsprozess innerhalb (und parallel natürlich auch außerhalb) der Partei zu ermöglichen, um die Entscheidung über die künftige Regierungsbildung demokratisch vorzubereiten.

Nachbemerkung: Es gibt zwei strukturelle Probleme der Großen Koalition:

Ein Parteipolitisches:
Wenn wir beobachten, wie schnell bestimmte Medien darüber hinweggegangen sind, dass die FDP die gesamte Nation wochenlang in einer großen Clownsnummer an der Nase herumgeführt hat, um schon wenige Stunden danach die SPD unter Druck zu setzen – dann dürfen wir auch eine Neuauflage davon erwarten, dass am Ende einer nächsten Großen Koalition Merkel alles Gute und der SPD jeder Mist zugeschoben wird. Geld, Macht und Medien sind ansonsten natürlich unabhängig voneinander.

Ein Demokratiepraktisches:
Wenn CDU/CSU die oben beschriebenen inhaltlichen Ziele mitträgt und die gesetzgeberische Umsetzung garantiert, wenn also die Menge der Gemeinsamkeiten auf diesem Weg wieder vergrößert wird, kann sich eine Große Koalition für unsere Gesellschaft lohnen. Dann hätten wir grob gesagt, in der jeweiligen Selbstwahrnehmung, eine Regierung aus Mitte-rechts und Mitte-links.  Eine starke, wenn auch keine übermächtige, Mehrheit.  Mit Blick auf die Entwicklung in einigen anderen Staaten, jüngst in Österreich, führt ein langer Zeitraum Großer Koalitionen zur Marginalisierung der Mitte. Folge ich dem Duden, heißt marginal: belanglos, geringfügig, nebensächlich, unbedeutend, unerheblich, unwichtig, wertlos, zweitrangig… und auf Deutsch heißt „margo“ Rand. Die Mitte macht sich zum Rand… die Ränder, die Extreme werden stärker…

Daran gilt es jeden Tag in einer Großen Koalition zu denken – nein schon vor ihrer Bildung.

500 Euro Spende an den Asylarbeitskreis Heidelberg

Der SPD-Bundestagsabgeordnete, hat der stellvertretende Vorsitzenden des Asylarbeitskreises Heidelberg, Hannah Stritter einen Scheck über 500 Euro überreicht. Bei einer Kunst-Versteigerung im Bundestagswahlkampf hatte Binding diese Summe eingenommen. Damals „verschönerten und veränderten“ Heidelberger Künstler sein Wahlplakat.

Seit 2001 übernimmt der Arbeitskreis im Auftrag der Stadt die Organisation des bürgerschaftlichen Engagements für Asylsuchende in Heidelberg. Das Amt für Soziales und Senioren der Stadt fördert dafür den Asylarbeitskreis mit einem jährlichen Zuschuss.

„Es ist wichtig das Flüchtlinge in Heidelberg in allen Aspekten ihres neuen Lebens unterstützt werden“, so der Abgeordnete. Die Arbeit bestehe aus sehr vielen Aktivitäten unterstrich Hannah Stritter. „Wir organisieren Deutschkurse, kostenlose Nachhilfe sowie Freizeitaktivitäten im Bereich Musik, Ausflüge und Gartenarbeit. „Wir spenden das Geld gerne, denn für Rechtsberatung und Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration werden immer finanzielle Mittel benötigt“, so Binding zum Abschluss.

Bürgerbüro saniert und vergrößert

Lothar Binding, Luisa Boos, Alexander Lucas

„Gute Stimmung, frische Farben und beste Motivation allein genügen nicht um mit dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl fertig zu werden – aber gute Ergebnisse in der Zukunft erzielen sich leichter, wenn die Ausstrahlung stimmt und Begeisterung spürbar wird“. Mit diesem Satz begrüßte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding die Besucher in seinem Bürgerbüro in Bergheim. Umso besser müssten die gewählten Abgeordneten ansprechbar sein – direkt und unkompliziert, ergänzte er. In ansprechendem Ambiente, mit neuen Möbeln ist das SPD-Regionalzentrum renoviert worden. „Deshalb haben wir in den Wochen nach der Wahl unsere Büros in der Bergheimer Straße saniert und vergrößert“, unterstrich der Geschäftsführer Alexander Lucas.

Zur „Abnahme“ und „Begutachtung der Renovierung“ und Wiedereröffnung des Bürgerbüros hatte Lothar Binding deshalb zu einem Umtrunk und Imbiss in die neu gestalteten Räume eingeladen. Als Gast begrüßte er auch die SPD-Generalsekretärin Luisa Boos aus Freiburg.

In seiner kurzen Ansprache wurde der Abgeordnete auch politisch konkret. „Den künftigen, insbesondere digitalisierten Arbeitsmarkt gut zu regeln, bedeutet auch, den Arbeitgebern und Konzernen bestimmte Werkzeuge wieder wegzunehmen, die sie missbraucht haben“. Binding nennt die sachgrundlose Befristung, die Ausdehnung ungleich bezahlter Leiharbeit und die massenhaften Werkverträge. „Gute Werkzeuge in den falschen Händen müssen zurückgegeben werden. Nicht die Werkzeuge sind schuld, wenn es auf der Baustelle drunter und drüber geht.“

Der Finanzexperte fordert auch einen Weg zur Überwindung von Arbeitslosengeld II. „Die Arbeitslosenhilfe wurde von den Unternehmen seit Ende der 80er bis Anfang der 00er zur Verjüngung ihrer Belegschaften missbraucht“, kritisiert Binding. Die Unternehmen hätten das damals als „Brücke der Arbeitslosigkeit bis zur Rente“ genannt. Arbeitnehmer über 50 wurden in die Arbeitslosenhilfe entlassen, der Staatshaushalt brach daraufhin zusammen. „Statt Hartz IV brauchen wir ein Modell der Arbeitslosenhilfe, an dem die Arbeitgeber beteiligt sind“.

Paradise Papers offenbaren systematische und weltweite Steuervermeidung

Die Paradise Papers offenbaren erneut die systematische und weltweite Steuervermeidungspraxis der Reichen und der multinationalen Konzerne. Wir müssen die verborgenen Strukturen dieser Parallelwelt aufdecken und zerschlagen. Dazu ist eine neue Initiative für ein international abgestimmtes Vorgehen gegen Steueroasen erforderlich. Die künftige Bundesregierung ist in der Pflicht, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. (mehr …)

Sondierungsgespräche – Geringverdiener werden kaum entlastet

Von den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition geht kein Aufbruchssignal für eine entschlossene Modernisierung aus. Statt einer klaren Prioritätensetzung auf Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Bildung kündigen die künftigen Koalitionäre lediglich eine Reihe von steuerlichen Einzelmaßnahmen an.

Den Partnern der Jamaika-Koalition fehlt offensichtlich ein gemeinsamer Plan für eine Modernisierung Deutschlands. Erforderlich ist eine klare Prioritätensetzung für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und soziale Sicherheit. Stattdessen legen die künftigen Koalitionäre eine Liste von steuerlichen Einzelmaßnahmen vor.

Die angekündigte Absicht, Familien mit Kindern sowie Bezieherinnen und Bezieher unterer und mittlerer Einkommen zu entlasten, kann überdies nicht allein mit steuerlichen Maßnahmen gelingen. Geringverdiener zahlen kaum Steuern, werden aber durch Sozialbeiträge relativ hoch belastet. Eine Verbesserung der Situation von Geringverdienern erfordert deshalb neben steuerlichen Maßnahmen auch eine Absenkung der Sozialbeiträge.

Problematisch ist die indirekte Absage einer Reform der Erbschaftsteuer. Dadurch wird gleich zu Beginn der Verhandlungen eine stärkere Beteiligung der Besitzer hoher Vermögen an der Finanzierung der Zukunftsaufgaben ausgeschlossen. Eine gerechte Steuerpolitik darf aber auf eine angemessene Besteuerung der Vermögenden nicht verzichten.