Die Forderungen der SPD waren erfolgreich. Im Frühjahr wurde ein Untersuchungsausschuss zu den Überwachungsmaßnahmen der NSA eingesetzt. Dieser soll die Frage beantworten, ob die Nachrichtendienste der USA und ihrer Verbündeten („Five Eyes“) die Kommunikation deutscher Bürgerinnen und Bürger überwacht und damit millionenfach Grundrechtsverletzungen begangen haben. Darüber hinaus prüft der Ausschuss auch, ob unsere deutschen Nachrichtendienste von dieser Massenüberwachung wussten oder gar darin involviert waren.
Wir haben seit der Konstituierung des Gremiums im April ein „sportliches Programm“ bewältigt. Damit wurden die wesentlichen Grundlagen für unsere weitere Arbeit gelegt. Über 90 Beweisanträge wurden bisher gestellt und über 40 Zeugen benannt. Als SPD‑Arbeitsgruppe tragen wir intensiv zu einer sachbezogenen Aufklärungsarbeit bei und setzen uns für größtmögliche Öffentlichkeit und Transparenz ein.
Im Mai und Juni haben wir Sachverständige zu den rechtlichen und technischen Hintergründen der digitalen Überwachung gehört. Diese Sitzungen wurden auf meine Anregung hin live im Internet übertragen. Ein erstes konkretes Ergebnis der Stellungnahmen hochkarätiger Verfassungsrechtler war, dass die Auslandsüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) nicht verfassungsgemäß geregelt ist. Ihre übereinstimmende Auffassung lautete: Der BND ist auch außerhalb Deutschlands an die Grundrechte gebunden. Die technischen Sachverständigen erläuterten dem Ausschuss die Voraussetzungen einer digitalen Massenüberwachung. Mich persönlich beeindruckten besonders die zwei NSA‑Whistleblower, die wir als Zeugen geladen hatten, William Binney und Thomas Drake. Wie Edward Snowden haben beide persönlich viel riskiert, um die Öffentlichkeit über die totale Überwachung durch US‑Dienste aufzuklären.
Leider ist es uns bislang nicht gelungen, Edward Snowden persönlich zu treffen oder gar zu befragen. Er ist und bleibt ein wichtiger Zeuge, dessen Vernehmung alle Fraktionen im Ausschuss beschlossen haben. Die Bundesregierung will ihm jedoch keinen Aufenthalt in Deutschland garantieren.
Leider hat Edward Snowden unsere Initiativen abgelehnt, mit Ausschussmitgliedern in Moskau zu sprechen oder per Video befragt zu werden. Das ist bei unserer Arbeit genauso zu berücksichtigen, wie die Position der Bundesregierung. Sie hat in Fragen der Außenpolitik einen weiten Beurteilungsspielraum. Daran kommen wir nicht vorbei. Die Bundesregierung hätte jedoch bei ihrer Entscheidung ebenso die massenhafte Grundrechtsverletzung deutscher Bürgerinnen und Bürger stärker berücksichtigen müssen.
Edward Snowden ist nicht unsere einzige Erkenntnisquelle. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses kann vorerst auch ohne ihn voranschreiten. So wollen wir nach der Sommerpause kritisch untersuchen, welchen Kenntnisstand unsere eigenen Sicherheitsbehörden hatten. Wussten BND und Verfassungsschutz von der mutmaßlichen Massenüberwachung? Profitierten sie davon? Waren sie gar beteiligt? Und wer war dafür politisch verantwortlich? Das sind aus meiner Sicht entscheidende Fragen. Hierzu wurden von der Bundesregierung bereits mehrere hundert Aktenordner mit Dokumenten vorgelegt, die wir während der Sommerpause intensiv ausgewertet werden.
Ein guter Anfang ist gemacht! Aber wir brauchen auch noch viel Geduld. Bessere Cyber‑Sicherheit und eine schärfere Kontrolle der Nachrichtendienste können nicht von heute auf morgen realisiert werden.
Wir werden die zwingend notwendige Aufklärung weiter akribisch, kritisch und verantwortungsbewusst vorantreiben. Die Verteidigung der Bürgerrechte in der digitalen Gesellschaft bleibt für uns alle in der SPD‑Arbeitsgruppe ein Anliegen.
Christian Flisek, MdB