schily1_01Weinheim. (WNpro) Ungewöhnlich locker entwickelte sich gestern Abend der Besuch von Bundesinnenminister Otto Schily bei der Weinheimer SPD im Rolf-Engelbrecht-Haus. Eigentlich war es nur eine Stippvisite, denn Schily hatte gerade einmal 40 Minuten Zeit.

Trotzdem plauderte er vor der Halle kurz mit Weinheims Ehrenbürger Wolfgang Daffinger und verfolgte dann gut gelaunt den Schluss des flotten Auftritts der Nachwuchsformationen der Tanzschule Hammersdorf, ehe er sich auf der Bühne den Fragen von Lothar Binding stellte.

schily2_01Der Bundestagsabgeordnete der SPD im Wahlkreis Heidelberg/Weinheim wollte diesmal nicht nur über die großen politischen Themen reden, sondern den über 200 Zuhörern auch Gelegenheit geben – in der Tradition der Gesprächsreihe seiner Vorgängerin Dr. Konstanze Wegner – den prominenten Gast „aus der Nähe“ kennen zu lernen. Schily erzählte, wie er den Weg in die Politik einschlug, der ihn von der 68er-Bewegung erst zu den Grünen führte, um dann sozusagen „über den zweiten Bildungsweg Sozialdemokrat zu werden“. Er verhehlte nicht, dass er auf diesem Weg „dazu gelernt hat“. Aber er betonte auch, dass er sich von Anfang an seine rechtsstaatlich demokratische Grundhaltung bewahrt habe.

Im Stile eines Fernseh-Talkmasters lenkte Binding das Gespräch weiter auf die persönliche Schiene. Wen fragt Otto Schily um Rat? Vieles bespreche er mit dem Bundeskanzler, so Schily, „aber man muss in der Politik aufpassen, dass man sich nicht abschottet“. Deshalb diskutiere er auch mit Freunden über aktuelle Themen. Sein Privatleben wollte der Bundesinnenminister freilich nicht öffentlich ausbreiten: „Ich bin glücklich verheiratet und habe zwei wunderbare Töchter, das muss reichen.“

schily4_01Die Fragen aus dem Publikum beschäftigten sich dann freilich doch mit der Bundespolitik. Der These, es gebe einen „Reformstau in der Innenpolitik“, widersprach Schily energisch. Die Regierung Kohl habe sich vor 1998 in vielen Bereichen schlicht der Realität verweigert, zum Beispiel der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland geworden sei. Erst die rot-grüne Bundesregierung habe ein strafferes System installiert, mit

schily3_01Erfolg: „Die Asylbewerberzahlen sind seither von über 100000 pro Jahr auf unter 30000 gesunken und bei den Aussiedlern ist die Entwicklung ähnlich“, so der Bundesinnenminister. Aber auch in anderen Bereichen sei man voran gekommen, etwa bei der Modernisierung der Bundesbehörden. Heute könne man bereits 376 Dienstleistungen des Bundes online abwickeln, „ein Ziel übrigens, das sich die CDU erst bis 2009 vorgenommen hat“, spottete Schily in Wahlkämpferlaune. Dass in deren Wahlprogramm der Sport sogar mit keinem Wort erwähnt werde, erstaune nicht nur ihn als Sportminister, sondern ärgere auch Lothar Binding, der sich in Berlin mit großem Erfolg im Haushaltsausschuss für den Sport einsetze.

Natürlich kam auch wieder die Frage nach der Linkspartei. „Besteht nicht doch die Gefahr, dass die Lust auf Machterhalt zur Zusammenarbeit verleitet?“, wollte ein Bürger wissen. Schilys Antwort: „Ich halte es auf Bundesebene für völlig ausgeschlossen, mit dieser Chaostruppe etwas zu machen, die jeden Tag den Namen wechselt, aber immer noch die PDS ist.“