Dirk_Mueller_01Lothar Binding hatte ein volles Haus. Fast 200 Besucher nahmen an seiner Veranstaltung „Aus der Nähe“ teil. Zu Gast war der TV-bekannte Börsenexperte /-makler Dirk Müller. Seine Laufbahn begann er nach dem Abitur bei der Deutsche Bank in Mannheim. Bald wechselte er zu Cantor-Fitzgerald, einem der größten internationalen Brokerhäuser. Hier lernte Dirk Müller das kennen, was man im Fußball mit „internationaler Härte“ bezeichnet. „Fairplay sieht anders aus“, sagt Müller.

Dann wurde Dirk Müller Aktienkursmakler auf dem Frankfurter Parkett. Er wurde Stellvertreter von Rainer Roubal,einem Kursmakler von altem Schrot und Korn, der keinem Risiko aus dem Weg ging, um einen „guten Job“ zu machen. Er habe stets seine Kunden geschützt und ein Wort war ein Wort. Von ihm habe er viel gelernt, so Müller. Sein Arbeitsplatz lag fast 10 Jahre lang direkt unter der großen Anzeigetafel mit dem Daxchart. Den Fotografen war die Kurve alleine zu langweilig und da wollten sie noch ein Gesicht dazu haben. So wurde er zum „Gesicht der Börse“ und erhielt seinen Spitznamen „Mr. DAX“.

Seither hat er sich an die sorgenvolle Frage der Passanten gewöhnt: „Was macht die Börse?“. Und diese Sorgen der Menschen sind es auch, die ihn dazu bewegen laut und manchmal aggressiv Kleinanleger zu verteidigen. „Es macht mich wütend, wenn ich sehe, dass ihnen mit dubiosen Aktienempfehlungen das Ersparte aus der Tasche gezogen wird. Es macht mich wütend, wenn Fondsmanager, wider besseren Wissens, die Anleger via Fernsehkamera in ihre Fonds treiben, obwohl sie selbst davon überzeugt sind, dass der Markt einbricht.“, so Müller.

Mittlerweile hat sich Dirk Müller selbstständig gemacht. Er ist nach wie vor Börsenhändler an der Frankfurter Wertpapierbörse. Die meiste Zeit verbringt er aber als Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse.

Die jüngsten Pläne der europäischen Staats- und Regierungschefs wurden kritisiert. Binding war sich mit Müller einig,  dass die Entscheidungen des EU-Gipfels zur direkten Bankenfinanzierung – mit Zustimmung der Kanzlerin –  grundfalsch seien. Die Konditionierung – Europäische Aufsicht – sei ein viel zu schwaches Instrument um die enormen Gefahren direkter Bankenfinanzierung aus den Europäischen Steuertöpfen abzuwenden.

Um den Teufelskreis zwischen angeschlagenen Banken und Staatsfinanzen zu durchbrechen, sollen Geldhäuser direkt vom Rettungsfonds ESM profitieren, heißt es in der Erklärung der Kanzlerin. Die Hilfe soll an „angemessene Bedingungen“ geknüpft werden. Müller glaubt den Zusicherungen von Angela Merkel allerdings nicht. Er sieht dem Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken vorsieht, „mit großer Sorge“ entgegen. Die Bankschulden seien fast dreimal so groß wie die Staatsschulden und lägen bei den Krisenländern im Bereich von neun Billionen Euro. Es sei unmöglich, die Steuerzahler und Rentensparer der soliden Länder Europas für die Absicherung dieser Schulden in die Haftung zu nehmen.

Binding sieht das ähnlich: „Wenn das Weltinlandsprodukt 70 Billionen Dollar im Jahr beträgt, aber allein am Derivatemarkt 700 Billionen $ gehandelt werden, dann zeigt dies, dass private Risiken nicht öffentlich besichert werden können – und politisch auch nicht dürfen“. Deshalb sei Regulierung der Märkte wichtiger denn je. Die Bankenkrise ebenso wie die Staatsschuldenkrise dürften aber nicht dem Euro, der Währung, angelastet werden.  Seit der Einführung des Euro würde kontrovers über die gemeinsame Währung diskutiert. Für ihn steht fest: der Euro ist ein Erfolgsprojekt. „Ohne den Euro wären die negativen Auswirkungen der Finanzkrise viel stärker ausgefallen“, so Binding. Als Exportnation profitiere die deutsche Wirtschaft von weggefallenden Wechselkursrisiken und stabilen Preisen. Allein durch die Mitgliedschaft in der Eurozone hätte Deutschland in den vergangenen beiden Jahren laut Berechnung der KfW-Bankengruppe einen Vorteil von 50 bis 60 Milliarden Euro gehabt. „Eine stabile gemeinsame Währung liegt im deutschen Interesse“, konstatiert er. Die Rückkehr zu nationalen Währungen wäre die falsche Antwort auf eine sich rasant verändernde Welt – zumal die Kosten für einen solchen Schritt nicht abschätzbar seien. „Unseren Wohlstand können wir nur an der Seite der europäischen Partner wahren“. Binding steht daher zum europäischen Projekt und dem Euro. Nicht weniger, sondern mehr Europa sei die Lösung.