Foto: (vlnr) Dr. Brigitte Schmitt-Bantel, Projekt „Schüler helfen Schülern an der IGH“ - Cem Üzem Migrationsrat Heidelberg - Fritz Rudolph Körper, MdB - Lothar Binding- Bülent Yarar, Verein „Die Unmündigen Heidelberg/Mannheim“

Foto: (vlnr) Dr. Brigitte Schmitt-Bantel, Projekt „Schüler helfen Schülern an der IGH“ – Cem Üzem Migrationsrat Heidelberg – Fritz Rudolph Körper, MdB – Lothar Binding- Bülent Yarar, Verein „Die Unmündigen Heidelberg/Mannheim“

In Heidelberg werden etwa 80 Sprachen gesprochen und es leben circa 20.000 Menschen mit Migrationshintergrund in der Universitätsstadt. Jeder sechste Einwohner hat einen ausländischen Pass. Der Heidelberg-Weinheimer SPD Bundestagsabgeordnete Lothar Binding lud zum Thema Integrationspolitik seinen Fraktionskollegen Fritz Rudolf Körper, Stv. Fraktionsvorsitzender und ehemaligen Parlamentarischer Staatssekretär beim BMI aus Bad Kreuznach ein.

Lothar Binding begrüßte die Besucher der Podiumsdiskussion im DAI mit einem Vergleich: „Bundesweit besuchen 32% der Schüler mit Migrationshintergrund die Hauptschule, nur 17% der Schüler ohne Migrationshintergrund. Nur 25% der ausländischen Schüler besuchen ein Gymnasium dagegen aber stehen 32% der Schüler ohne Migrationshintergrund“ so Binding und sprach damit offen über die Defizite in der Integrationspolitik. In der anschließenden Diskussion ging es im Schwerpunkt um die Chancengleichheit von Migrantenkindern. Mit auf dem Podium saßen Frau Dr. Brigitte Schmitt-Bantel vom Projekt „Schüler helfen Schülern an der IGH“, Cem Üzem vom Ausländer/Migrationsrat Heidelberg und Bülent Yarar vom Verein „Die Unmündigen Heidelberg/Mannheim“.

„Integrationspolitik ist keine Nischenpolitik. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie setzt ein interkulturelles Politikverständnis voraus und wird nur im parteiübergreifenden Konsens erfolgreich sein“ begann Fritz Rudolf Körper sein Impulsreferat. Schlüssel zu einer gelingenden Integration sei der Erwerb der deutschen Sprache. Das besondere Augenmerk müsse auf der frühkindlichen Spracherziehung liegen. Insbesondere gelte es diese Sprachförderung durch den Einsatz von bilingualen Erzieherinnen und Erziehern, durch Beratung der Eltern und durch Fortbildung von Erziehern und Mitarbeitern in allen Kindertageseinrichtungen zu stärken. Frühe Sprachstandsförderung verknüpft mit gezielten Förderangeboten sei Voraussetzung für eine gelungene Bildungsbiographie. „Eine Ausweitung der Schulpflicht auf eine Kindergartenpflicht im Sinne einer Vorschulpflicht kann insoweit als geeignetes Mittel in Erwägung gezogen werden“ so Körper.

Es sei dringend an der Zeit, Migranten, die seit langem als Geduldete in Deutschland leben, ein „humanitäres Bleiberecht einzuräumen“, so Körper. Vorrangig ginge es um Familien, die sich in die hiesige wirtschaftliche, soziale und rechtliche Ordnung integriert haben und um deren in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen Kinder.

Dr. Brigitte Schmitt-Bantel engagiert sich seit einigen Jahren an der IGH. In ihrem Projekt Schüler helfen Schüler trifft sie häufig auf Kinder mit Migrationshintergrund, besonders solche, die sozioökonomisch besondere Unterstützung brauchen. Das Projekt entstand auf Anregung des „Internationalen Elternabends“. Inzwischen nehmen mehr als 90 Kinder zweimal wöchentlich diese kostenlose Zusatzförderung in Anspruch. „Besonders wichtig ist, dass wir schon im ersten Schuljahr damit beginnen um ersten Lernmisserfolgen in der Schule erfolgreich zu begegnen“ so Schmitt-Bantel. Dies sei eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine kontinuierlich erfolgreiche Migration.

Cem Üzuem, Migrationsrat in Heidelberg nannte es eine „irrsinnige Talentvergeudung“ auf das große Potential der vielen Menschen mit Migrationshintergrund zu verzichten. Eine der wichtigsten Ursachen für weniger gute Chancen in Schule, Berufsausbildung und Beschäftigung seien tatsächlich sprachliche Defizite. Auch das Fernsehverhalten, „den ganzen Tag türkisches Fernsehen“ sei der Sprachbildung im Deutschen nicht förderlich, so der Ausländerrat. Aus dem Publikum wurde daraufhin scharf kritisiert, dass sich das Land seiner sozialen Verantwortung entziehe. So sei nicht nur die Schulsozialarbeit dramatisch reduziert, auch der Sprachunterricht für Migrantenkinder würde nur zufällig und willkürlich finanziert, weil die dafür zuständige Landesstiftung außerhalb einer parlamentarischen Kontrolle „ein unberechenbares Eigenleben“ führe.

Bülent Yarar vom Verein „Die Unmündigen“ stellte die Frage:Was sind wir? „Als die zweite Generation der als Gastarbeiter gerufenen sind wir mittlerweile Bürger dieses Staates mit dem Lebensmittelpunkt in Heidelberg oder Weinheim“, so Yarar. Migranten würden auf dem Boden der Verfassung leben – aber ohne gleiche demokratische Rechte, z.B. ohne gleichwertiges Wahlrecht – eben unmündig, so Yarar. „Wir fühlen uns nicht gewollt“. Deshalb müsse viel intensiver über Begriffe wie Rassismus und Ausgrenzung diskutiert werden. Im Bewusstsein der Politiker, der Mehrheitsgesellschaft müsse sich etwas ändern, bevor Migrationspolitik erfolgreich sein könne.

NT