Manchmal erlaubt die Erlaubnis zu gehen – zu bleiben
Sterbehilfe ist ein sehr kompliziertes und persönliches Thema, zu dem ich ganz unterschiedliche Post erhalte. Dabei unterscheiden sich die Absender auch in ihrer unterschiedlichen Verwendung des Begriffs „Euthanasie“. Die meisten Mediziner zeigen deutlich an, dass sie damit medizinisch fachliche Zusammenhänge ansprechen. Einige Bürger, deren Briefe oder Mails sich durch dogmatische und ideologisch eng geführte Formulierungen charakterisieren lassen, verwenden den Begriff Euthanasie, um die Gedanken, mit denen der Arzt dem Wunsch des Patienten nach friedlichem Einschlafen folgen soll, in die Nähe des Nationalistischen zu rücken.
Im Duden finde ich diese Unterscheidung gut dargestellt:
„1. Medizin
a) Erleichterung des Sterbens, besonders durch Schmerzlinderung mit Narkotika
b) absichtliche Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken durch Medikamente oder durch Abbruch der Behandlung
2. (nationalsozialistisch verhüllend) systematische Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen“
Ich denke, dass das Strafrecht der falsche Weg ist und der Entwurf Brand/Griese (18/5373) – wie es ein Freund von mir formuliert: „Ärzte in der Palliativmedizin den Staatsanwälten ausliefert“.
Bezogen auf die verschiedenen Entwürfe habe ich mit den unterschiedlichen Definitionen von „geschäftsmäßig“ noch Probleme, denn in verschiedenen Veranstaltungen wurden von Juristen stets neue Auffassungen vorgetragen – alle natürlich streng aus den Antragstexten abgeleitet. „Hintze/Lauterbach“ (18/5374) sehe ich auch in Verbindung mit meiner Arbeit im Krankenhaus. Ich war gut drei Jahre in der Nachtwache auf der Inneren und der Chirurgie und habe den Zivildienst auf der Gynäkologie, auch der Onkologie, absolviert. Eigentlich muss nicht viel geregelt werden… eine Hilfe ist es, wenn Ärzte, deren Standesecht in der Praxis eher Verwirrung stiftet, mit dem Hintze/Lauterbach Entwurf an Rechtssicherheit gewinnen. Deshalb habe ich diesen Entwurf unterstützt.
Die Idee der Selbstbestimmung schließt den frei gewählten Tod mit ein und so sollten wir einen Menschen, der den Suizid will nicht entmündigen: Selbstbestimmung findet ihr Ende erst im Tod. Und auch im Spannungsfeld von Schutz des Lebens (als das höchste Gut, dessen sich niemand bemächtigen darf) und dem Zwang zum Qualtod (so sagt das Peter Hintze) – wenn es nicht mehr um das ob sterben sondern um das wie sterben geht – lässt sich individuelle Entscheidung nicht vorwegnehmen. Diese Situation ist schon gar nicht mit dogmatischer Elle zu messen.
Natürlich können verbesserte Schmerztherapie bzw. Palliativmedizin und Hospizversorgung sehr viele Grenzentscheidungen vermeiden helfen – aber hier geht es ja um die „Fälle“, in denen die Entscheidung in eine andere Kategorie fällt. Und dann denke ich, dass der Arzt dem Wunsch des Patienten folgen sollen darf und nach seiner Gewissensprüfung und der Prüfung des medizinisch gebotenen ein friedliches Einschlafen ermöglichen soll. Obwohl auch ich meine Zeit nicht antizipieren kann, empfinde ich die Möglichkeit, bei einer qualvollen irreversiblen unheilbaren Krankheit nicht zum Weiterleben gezwungen zu sein, als eine Beruhigung.
Irgendwo habe ich einen Gedanken gelesen, den ich gut finde. Sinngemäß: Manchmal erlaubt die Erlaubnis zu gehen – zu bleiben. Die Möglichkeit dem Leiden und Leben ihr Ende zu geben – kann helfen im Leiden zu Leben.
Hintergrund: Der Bundestag hat am 6. November den Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke), Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) und 206 weiterer Abgeordneter über die „Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ angenommen. Das Gesetz sieht vor, geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen und einen entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch zu schaffen. Davon betroffen sind Vereine, Organisationen und Einzelpersonen, die mit oder ohne gewerbsmäßige Absicht Suizidassistenz anbieten. Ihnen droht bei einer Verurteilung eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Angehörige oder dem Suizidwilligen nahestehende Personen, die im Einzelfall handeln, sind von der Strafandrohung ausgenommen. Die Unterzeichner hatten ihren Gesetzentwurf damit begründet, dass eine geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe die Selbsttötung als „normale Behandlungsoption erscheinen lassen und Menschen dazu verleiten könne, sich das Leben zu nehmen“. Der Angehörige werde hingegen nicht kriminalisiert. Ebenso wenig sei die passive Sterbehilfe betroffen. Der Gesetzentwurf hatte in zweiter Beratung 360 von 602 Stimmen erhalten.
Das Protokoll der gesamten Debatte können Sie hier finden: Plenarprotokoll 18/134