AK Finanzen / AK Innen Stand: 10. November 2004
Die Bundesregierung verbessert finanzielle Situation der Kommunen
Die Landesregierung nimmt den Landkreisen, Städten und Gemeinden die Entlastung durch den Bund wieder weg und kürzt rd. 540 Mio. € pro Jahr
Reform der Gewerbesteuer und Arbeitsmarktreform verbessert kommunale Finanzen
Mit der Gemeindefinanzreform hat die Bundesregierung die finanzielle Situation der Gemeinden und Städte deutlich verbessert. Durch die Reform der Gewerbesteuer, die mit Beginn des Jahres 2004 in Kraft getreten ist, haben die Kommunen in Baden-Württemberg in diesem Jahr 387 Mio. € mehr zur Verfügung. Im Jahr 2005 werden es voraussichtlich 450 Mio. € mehr sein. Das ursprüngliche Konzept der Bundesregierung hätte den Kommunen des Landes noch jährlich 50 Mio. € mehr eingebracht, es wurde aber im Bundesrat durch CDU und FDP um diesen Betrag zusammengestrichen.
Auch die Arbeitsmarktreform Hartz IV bringt für die Kommunen – über Einsparungen beim Wohngeld – beträchtliche Mehreinnahmen. Für die Städte und Gemeinden belaufen sich die Entlastungen im kommenden Jahr auf 132 Mio. €. Das Land Baden-Württemberg weigert sich aber, diese Einsparungen beim Wohngeld in voller Höhe an ihre Kommunen weiterzugeben, sondern sie rechnet Mehrausgaben beim Umsatzsteuerausgleich für die neuen Bundesländer dagegen und will den Kommunen lediglich 33 Mio. € überweisen.
Durch die Reformmaßnahmen der Bundesregierung bei Gewerbesteuer und Arbeitsmarktreform hätten die Städte und Gemeinden des Landes im Jahr 2005 rd. 630 Mio. € mehr erhalten. Durch die Abwehrhaltung der Landesregierung in diesen beiden Bereichen wird die Entlastung bereits auf 483 Mio. € reduziert.
Das Land kürzt bei den Kommunen
Darüber hinaus aber will die Landesregierung in den Landeshaushalten 2005 und 2006 bei den Kommunen noch einmal pro Jahr rd. 440 Mio. € streichen. Zusammen mit der Einbehaltung von Mitteln aus Hartz IV spart die Landesregierung bei den Kommunen rd. 540 Mio. € pro Jahr. Dies sind umgerechnet rd. 50 € pro Einwohner, die das Land auf diese Weise den Städten und Gemeinden wegnehmen will.
Während das Land in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich von strukturellen Haushaltskürzungen weitgehend absieht und sich mit waghalsigen Verkaufsoperationen von Landesvermögen und Zinsforderungen über die nächsten beiden Jahre retten will, beabsichtigt die Landesregierung, in bislang nie gekanntem Ausmaß in die Finanzausstattung der Kommunen einzuschneiden.
Im Ergebnis nimmt das Land damit den Kommunen die Verbesserungen wieder weg, die ihnen durch die Reformmaßnahmen des Bundes zufließen sollten. Auf diese Weise will die Landesregierung ihren Landeshaushalt sanieren. CDU und FDP sind nicht in der Lage, in ihrem eigenen Bereich mit den notwendigen Strukturreformen den Landeshaushalt aus eigener Kraft wieder ins Lot zu bringen. Seit einem Jahr sind CDU und FDP in Baden-Württemberg durch Personalquerelen und interne Machtkämpfe sachpolitisch weitgehend gelähmt.
Die bittere Folge davon ist, dass sie offensichtlich nur noch bei anderen, insbesondere bei den Städten und Gemeinden des Landes, sparen wollen.
Nachdem CDU und FDP bereits im Landeshaushalt 2004 bei den Kommunen rd. 250 Mio. € gekürzt haben und 80 Mio. € auch für die Folgejahre weiter gelten, wollen sie in den kommenden beiden Jahren die Einsparsumme bei den Kommunen noch drastisch ausweiten. Da die Kommunen im Steuerverbund mit dem Land gesetzlich festgelegt 23% der Steuereinnahmen erhalten, sind sie aber ohnehin automatisch an den fehlenden Steuereinnahmen des Landes entsprechend ihrem Anteil beteiligt. Trotzdem will das Land bei den Kommunen noch zusätzlich weitere ca. 540 Mio. € abkassieren.
Vorgesehene Kürzungen des Landes bei den Kommunen im Doppelhaushalt 2005/2006
Kürzungen bei den Kommunen im Landeshaushalt |
2005 | 2006 |
1. Fortschreibung der Kürzung im Finanzausgleich 2004 auch für die Haushaltsjahre 2005/2006, insg. 80 Mio. €; davon
– 53 Mio. € bei der KfZ-Verbundmasse (30 Mio. € Investitionen ÖPNV; 23 Mio. € Straßenbau), – 27 Mio. € beim Kommunalen Investitionsfonds (KIF) für u. a. Krankenhausfinanzierung, Schulhausbau, Sportstättenbau |
80 | 80 |
2. Neue Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich 2005/06: | ||
Spitzabrechnung Länderfinanzausgleich 2003 | 46 | |
Ausgleich für Neuregelung Länderfinanzausgleich ab 2005 | 189 | 189 |
Sonderkürzungen im kommunalen Finanzausgleich | 115 | 161 |
Insgesamt: | 350 | 350 |
3. Kürzungen bei den Kommunen in den einzelnen Ressorts soweit bislang bekannt u. a. : | ||
03 IM Ausbildung gehobener Verwaltungsdienst | 0,9 | 0,9 |
O5 JuMi Entschädigung badische Gemeinden für Grundbuchämter | 4,5 | 4,5 |
05 JuMi Entschädigung württemb. Gemeinden für Notariate | 0,9 | 0,9 |
07 WM Förderung kommunaler Tourismusinfrastruktur | 0,7 | 0,7 |
09 SM Jugendsozialarbeit | 0,6 | 1,1 |
Insgesamt | 7,6 | 8,1 |
Kürzungen im Landeshaushalt insgesamt (1. + 2. + 3.) | 437,6 | 438,1 |
4. Kürzung von Wohngeldmitteln aus der Hartz IV – Reform
(Weiterleitung lediglich des Nettoeinsparbetrags: Bruttoeinsparung abzüglich Mehrkosten für Umsatzsteuerneuregelung zugunsten der neuen Länder wegen Hartz IV |
99 | 99
|
Einsparungen bei den Kommunen des Landes | 536,6 | 537,1 |
Von diesen Kürzungen in Höhe von insgesamt rd. 1.074 Mio. € in den kommenden beiden Jahren ist lediglich die Kürzung von 46 Mio. € durch die Spitzabrechnung des Länderfinanzausgleichs 2003 berechtigt. Die übrigen Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich sind von den Kommunen erzwungene Sonderopfer zum Ausgleich des Landeshaushalts.
Die neuen, oben dargestellten Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 350 Mio. €, sollen wie folgt umgesetzt werden:
Umsetzung der Kürzungen von 350 Mio. € im kommunalen Finanzausgleich | 2005 | 2006 |
Erhöhung der Finanzausgleichumlage um 2% in 2005 und 1% in 2006 (von heute 20,45%) | 186 | 91 |
Kürzung der Schlüsselzuweisungen | 3 | 98 |
Kürzung des Ausgleichstocks von 97 Mio. € auf 70 Mio. € | 27 | 27 |
Kürzung des Kommunalen Investitionsfonds (KIF) von 850 Mio. € auf 750 Mio. €; mit Stand 1.11.2004 (Korrekturen und Verschiebungen sind hier noch zu erwarten) will das Land die Kürzungen von 100 Mio. pro Jahr im KIF wie folgt umsetzen: Altenhilfeeinrichtungen 10 Mio; – Entwicklung ländl. Raum 20 Mio; – Kommunaler Umweltschutzfonds 20 Mio; Krankenhausfinanzierung 20 Mio; Schulhausbau 10 Mio; Stadtsanierung 10 Mio; Sportstättenbaupauschale 2 Mio; Fremdenverkehrslastenausgleich4 Mio; Fremdenverkehrsförderung 4 Mio. |
100 | 100 |
Zwischensumme: Kürzung der Finanzausgleichsmasse | 316 | 316 |
Kürzung des Kraftfahrzeugsteuerverbunds | 34 | 34 |
Kürzungen insgesamt | 350 | 350 |
Finanznot der Gemeinden führt zu drastischem Rückgang der Investitionen
Diese weiteren zusätzlichen Kürzungen bei den Kommunen erfolgen vor dem Hintergrund, dass nach dem Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt 2004, die Kommunen in Baden-Württemberg trotz strikten Sparkurses unter der größten Finanznot seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu leiden haben. So ist nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes bereits im Jahr 2002 die Nettoinvestitionsrate der Gemeinden und Gemeindeverbände im Land um 71 Prozent oder 903 Mio. € zurückgegangen. Im letzten und in diesem Jahr – soviel kann man bereits jetzt feststellen – hat sich dieser Trend fortgesetzt, auch wenn die Schlussrechnung der amtlichen Statistik noch aussteht.
Diese erneute Kürzung bei den Kommunen durch das Land hat zur Folge, dass auch in den kommenden Jahren mit keiner Verbesserung der kommunalen Finanzkraft zu rechnen ist. Entsprechend schlecht sind die Aussichten auf dringend benötigte kommunale Investitionen.
Die Argumente der Landesregierung für die Kürzungen sind allesamt falsch
Die Argumente von CDU und FDP für diese Sonderkürzungen bei den Kommunen sind allesamt fadenscheinig und in der Sache nicht gerechtfertigt:
– So hat Finanzminister Stratthaus davon gesprochen, dass durch die Reform der Gewerbesteuer die Kommunen in diesem Jahr finanziell besser gestellt seien als bisher und deshalb Sonderkürzungen gerechtfertigt wären. Dabei gab es eine Bund-Länder-Kommission unter Einschluss der Kommunen mit dem Ziel, die finanzielle Situation der Kommunen zu verbessern. Außerdem haben CDU und FDP mit ihrer Verhinderungsmehrheit im Bundesrat weitere von der Bundesregierung geplante Verbesserungen abgelehnt. Nun will die Landesregierung aber auch noch die erreichten Verbesserungen für die Kommunen durch die Absenkung der Gewerbesteuerumlage, die zu gleichen Teilen zu Lasten von Bund und Ländern geht, allein für ihren eigenen Landeshaushalt einkassieren.
Auch die aktuelle Steuerschätzung vom November sieht für das Jahr 2005 weder bei den Kommunen noch beim Land Veränderungen gegenüber den bisherigen Einnahmeerwartungen. Auch deshalb ist eine zusätzliche Belastung der Kommunen zugunsten des Landes nicht gerechtfertigt.
– Außerdem argumentiert die Landesregierung, durch die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab 1. Januar 2005 würde das Land wegen der kommunalen Finanzkraft ihrer Gemeinden und Städte pro Jahr rd. 190 Mio. € verlieren, die sie von den Kommunen zurück haben will. Richtig ist aber, dass durch den neuen Länderfinanzausgleich, den die Landesregierung im Übrigen mit ausgehandelt hat, das Land auch ohne Kürzungen bei den Kommunen besser dasteht als zuvor. Der Abzug von rd. 190 Mio. € pro Jahr bei den Kommunen kann deshalb nicht mit der Verschlechterung der Finanzsituation des Landes durch den Länderfinanzausgleich begründet werden.
– Das Land Baden-Württemberg spart durch die Hartz IV – Reform beim Wohngeld rd. 132 Mio. € und sollte diese Gelder an die Kommunen weiterleiten. Die Landesregierung will aber lediglich 33 Mio. € abgeben mit der Begründung die restlichen 99 Mio. € brauche das Land zur Abdeckung von Verschlechterungen bei der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der neuen Länder wegen Hartz IV. Aber auch in diesem Falle ist es so, dass die Mindereinnahmen des Landes durch diese Veränderung von insgesamt 128 Mio. € bereits jetzt durch den 23%igen Steuerverbund von den Kommunen mit 29 Mio. € mitfinanziert werden. Eine Vollfinanzierung der Kommunen ist aber nicht gerechtfertigt.
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