Mit Betrug lässt sich gut Kasse machen. Einzelhändlerinnen und Einzelhändler wie Bäckerinnen, Fleischer, Gemüsehändler, Gastwirtinnen, Friseure und alle, die ihre Betriebe ehrlich führen und korrekt abrechnen, haben Nachteile gegenüber jenen Marktteilnehmern, die Mehrwertsteuer hinterziehen, ihre Lieferketten manipulieren und ihre Mitarbeiter schwarz oder prekär beschäftigen.

Möglich ist das mithilfe von manipulierten oder manipulierbaren Kassen, die die Umsätze wahlweise klein rechnen, um Steuern zu sparen, oder auch Umsätze künstlich erhöhen, um Geld zu waschen. Jedes Jahr entgehen dem Staat, also uns Bürgerinnen und Bürgern, durch Steuerbetrug mit manipulierten Kassen zweistellige Milliardenbeträge.

Im Dezember 2016 hat der Bundestag deshalb einen wichtigen Schritt hin zu einer effektiveren Bekämpfung dieser Art von Steuerbetrug gemacht. Auf Druck der Finanzminister der damals SPD-geführten Bundesländer, allen voran Norbert Walter-Borjans als Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, sowie der Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, ist damals das „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ zustande gekommen.

Besonders ambitioniert war der vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgelegte Gesetzentwurf aber nicht. So konstatierte der Bundesrat: „Zudem weist der Entwurf nach Auffassung des Bundesrates zwei gravierende konzeptionelle Mängel (Belegausgabepflicht und zentrale Registrierung der Sicherheitskomponenten) auf, die zu erheblichen Sicherheitslücken führen.“

Die Belegausgabepflicht war eine der wichtigsten Forderungen der SPD im Gesetzgebungsverfahren. Gestützt wurde diese Haltung von Expertinnen und Experten in der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags. Die Ausgabe von Kassenbelegen bei Bargeschäften ist die Voraussetzung dafür, dass die Finanzverwaltung schnell und einfach prüfen kann, ob Umsätze korrekt erfasst sind. Sie ist somit auch Bedingung für eine effektive Bekämpfung von Kassenbetrug. Das Risiko für Betrüger, aufzufliegen, steigt.

Gleichzeitig nutzt eine Belegausgabepflicht auch der Wirtschaft, weil das Finanzamt schneller prüfen kann und weniger in den Betriebsablauf eingreift. Auch der Handelsverband Deutschland und der Zentralverband des Deutschen Handwerks haben die Gesetzgebung mit dem Ziel der Wettbewerbsgleichheit und Fairness im Markt begrüßt, nicht zuletzt, weil dadurch die bargeldintensiven Branchen vom Generalverdacht der Steuerhinterziehung oder der Geldwäsche befreit werden können.

Die Behauptung der Kommentatoren in vielen Zeitungen, eine Bonpflicht sei überflüssig, ignoriert folglich diese Ausgangslage oder – schärfer ausgedrückt – verharmlost den milliardenschweren Betrug an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Bereits im Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2016 mussten wir erleben, wie der massive Betrug mit manipulierten Kassen verharmlost wurde. Eine konsequente Verfolgung von Steuerhinterziehung ist aber eine Frage des fairen Wettbewerbs und stellt die Chancengleichheit auf dem Markt für die vielen steuerehrlichen Unternehmen wieder her.

Die plötzliche Entdeckung ihres Herzens für Umweltschutz zwei Wochen vor Inkrafttreten des Gesetzes, nachdem die Pflicht zur Umsetzung drei Jahre lang bekannt war, ist nicht mehr als ein zum Zeitgeist passendes, vorgeschobenes Argument seitens der Lobbyisten. Die vergleichbare Belegausgabe bei Kartenzahlung war beispielsweise bisher keine Erwähnung wert, geschweige denn ein Problem.

Die Erstellung der Kassenbelege kann darüber hinaus auch elektronisch erfolgen; es muss auch kein mit schädlichem Bisphenol A bedrucktes Papier verwendet werden. Für die Entwicklung von elektronischen oder anderen umweltfreundlichen Lösungen war drei Jahre Zeit. Offenbar hat man aber darauf vertraut, im letzten Moment die Belegausgabepflicht zu verhindern und hat die Zeit ungenutzt verstreichen lassen. Es ist zu hoffen, dass der Verweis auf den Umweltschutz ernst gemeint ist und die nächsten Monate sinnvoller genutzt werden.

Wir sind allerdings auch dankbar, dass sich die Lobby dem Umweltaspekt beim Kassenbons annimmt. Das lässt darauf schließen, dass auch hinsichtlich der angebotenen Waren und ihrer Verpackungen eine ähnliche Sensibilität an den Tag gelegt wird, etwa bei Alufolie, Verbundmaterialien, Kunststoffe, künstlichen Aromen, kein Verkauf von Tabak, um nur einige zu nennen.

Auch Deutschland kann schaffen, was in Österreich, Polen, Italien und einer Reihe anderer Staaten längst gang und gäbe ist. Die Verharmlosung von Steuerbetrug in Milliardenhöhe muss endlich aufhören.