schily4_01Der Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding beleuchtete Otto Schily in Weinheim ganz „aus der Nähe“

von Kisten Baumbusch RNZ vom 3.9.05

Weinheim – Lothar Binding traut sich etwas. Zum Beispiel gestern Abend in Weinheim. da versuchte der SPD-Bundestagsabgeordnete, „seinem“ Innenminister nah zum kommen. Und dass, obwohl der 63-Jährige von sich selbst sagt, dass er relativ spröde sei. „Aus der Nähe“ heißt die Reihe, mit der der Heidelberger Parlamentarier beweisen will, dass Politiker auch Menschen sind. Manchmal sogar richtig nette. Deshalb soll es an diesem Abend auch nicht um Polizei, Katastrophenschutz, Zuwanderung oder Sport gehen, sondern um die Werte und die Persönlichkeit des Otto Schily.

So gestreng, wie abends im Fernsehen, wirkt er schon mal nicht, der Herr Minister, als er fast überpünktlich das Rolf-Engelbrecht-Haus betritt. Berührungsängste kennt er auch nicht. Den fröhlichen Tanz-Kindern vom Vorprogramm schüttelt er eifrig die Hand und lächelt dabei sogar. Dann geht es schnell zur Sache. Denn Otto Schily hat schon ein Mammut-Programm hinter sich und will unbedingt den letzten Flieger in Frankfurt erreichen.

„Danke, dass Sie sich in der Sauna mit mir versammelt haben“. Mit dieser Einleitung sammelt der Berliner Minister erste Punkte. Dann erzählt er von seinen politischen Prägungen. Die Zeit des Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und die grauenhafte Zerstörung, das alles hat Otto Schily mit eigenen Augen gesehen. Erlebt hat er aber auch, wie daraus eine neue Demokratie entstanden ist. Da begann Politik ihn zu faszinieren. Später in Berlin sah er die Mauer wachsen, die dann viel später wieder niedergerissen wurde. Geprägt, so formuliert er es in der Zweiburgenstadt, habe ihn ebenfalls die Studentenbewegung, wenn auch eher aus der Ferne.

Die Gründung der Grünen, der Zusammenfluss von Ökologie und demokratischer Bewegung, das gab dem gelernten Rechtsanwalt dann erstmals eine Art politischer Heimat. „Mit denen habe ich mich dann aber verzankt“, berichtet er lapidar von der Trennung. Er sei deshalb eine Art Sozialdemokrat auf dem zweiten Bildungsweg.

Das ihm öfters vorgeworfen wird, er habe seine politischen Positionen mehrfach verändert, ficht ihn nicht an. „Ich habe in meinem Leben dazugelernt und finde nichts Verwerfliches dabei“. Allerdings ziehe sich der rechtsstaatliche Gedanke wie eine Art roter Faden durch sein Leben. Auch wenn ein Anwalt natürlich die Interessen seines Mandanten zu vertreten habe und ein Minister die der Gesellschaft. Einen grundsätzlichen Widerspruch sieht er darin keinesfalls.

Dann lässt er doch noch ein wenig Nähe zu. Ihm sei stets wichtig gewesen nie abhängig zu werden von der Macht. „Ich kann mir ein Leben ohne Amt vorstellen“, erklärt Schily. Grund dafür: Langeweile kenne er nicht. Auf die Frage, welche gesellschaftlichen Werte ihm besonders wichtig seien, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Und dann sendet er symbolisch noch ein paar Blumen nach Heidelberg. Die dortige Oberbürgermeisterin Beate Weber habe ihn gelehrt, dass Verwaltungsreform nur mit moderner Kommunikationstechnik gelingen könne. Deshalb, so der Minister, gebe es seit einigen Tagen alle 376 Dienstleistungen des Bundes online. Und das – und da grinst er – obwohl die CDU das in ihrem Wahlprogramm erst für 2009 plane.