Lothar Binding diskutiert Finanzmarktkrise
„Schwerwiegende Folgen“ aber auch „Chancen für Neuordnung des Weltfinanzsystems“
In seiner Begrüßung zur Veranstaltung der SPD Handschuhsheim zum Thema „Turbokapitalismus ruft Staat“ forderte der Vorsitzende, Robert Bechtel, als eine erste Konsequenz faire Regeln für den Finanzmarkt. Die SPD Handschuhsheim, so Bechtel „stellt den Begriff Verantwortung in den Mittelpunkt – Verantwortung heißt auch Antworten geben“, gab er dem Referenten des Abends, dem Bundestagsabgeordneten Lothar Binding, mit auf den Weg. Zunächst erläuterte der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion anschaulich die für die Entstehung der Finanzmarktkrise bedeutenden Zusammenhänge – von den Eigenkapitalreserven gemäß den Basel II Regeln, Verbriefungen, Kreditverlagerungen zu Zweckgesellschaften bis zur Niedrigzinspolitik und den Erosionen am Immobilienmarkt in den USA. Während es in Deutschland hauptsächlich ein Liquiditätsproblem gäbe, müsse man für die USA von einem Solvenzproblem sprechen.
Binding schaffte den schwierigen Spagat, die hochkomplexen Mechanismen des Finanzsystems auch für Laien verständlich darzustellen und kam zu einer klaren Bewertung: „Die Hiobsbotschaften von den internationalen Finanzmärkten der letzten Wochen haben bei vielen Banken einen schockierenden Mangel an Verantwortungsbewusstsein, Selbstdisziplin und internen Kontrollen offen gelegt.“ Der Heidelberger Bundestagsabgeordnete rechnet mit schwerwiegenden Folgen der Krise: „Sie wird bleibende Spuren hinterlassen. Das Weltfinanzsystem wird multipolarer. Für dieses neue System brauchen wir klare Regeln und ein neues Wertesystem um Verantwortung neu zu begründen und Vertrauen wiederherstellen.“ Dazu müssen strenge Vorschriften für die Kreditvergabe und Eigenkapital, das Verbot rein spekulativer Leerverkäufe, der Aufbau schlagkräftiger Kontroll- und Sanktionsorgane oder verbindliche Standards für eine stärkere Haftung gehören.
Bundesfinanzminister Steinbrück habe hier wirksame und praktikable Vorschläge für eine Neuordnung des Weltfinanzsystems vorgelegt. Geschäfte wie Leerverkäufe, beispielsweise mit geliehenen Aktien, auf deren Wertezerfall spekuliert wird, verraten Spielcasinomentalität, und sollten verboten werden, weil sie unkalkulierbare Risiken in den Finanzmarkt und damit in die gesamte Wirtschaft tragen. „Das ist rechtlich und marktwirtschaftlich natürlich nicht einfach, aber solchen Finanzjongleuren dürfen wir Arbeitsplätze nicht anvertrauen, der neoliberale Ansatz ist gescheitert. Nicht nur in der Wirtschaft sind jetzt Blasen geplatzt – auch in der Politik“, so Binding vor den interessierten Zuhörern im alten Rathaus in Handschuhsheim.
Während die Regulierung der Finanzmärkte ein Thema für die Zukunft – und auch für die kommende Bundestagswahl – sei, solle das zügig verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsgesetz die Ersparnisse der Bürger schützen, neues Vertrauen unter den Banken stiften und die Kreditversorgung für den Mittelstand sichern. Diesen Zielen diene der große Bürgschaftsrahmen. Der Staat erhalte mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz Mitspracherechte bei Produkten, Strukturen und Geschäftspolitik von Banken, die staatliche Hilfe gegen eine Gebühr in Anspruch nehmen. Darüber hinaus forderte Binding internationale Standards für schärfere Regeln für die persönliche Haftung von Bankmanagern. Die Kombination aus solider Bürgschaft und Bankrekapitalisierung mit harten Auflagen sei ein Verdienst Steinbrücks und habe sich auch international durchgesetzt.
Angesichts der hohen internationalen Reputation des SPD-Finanzministers müsse man aus deutscher Sicht sagen „gut, dass wir ihn haben“. „Und gut, einen Finanzexperten wie Binding für Heidelberg im Bundestag zu haben“, so ein Fazit aus Kreisen der Handschuhsheimer Sozialdemokraten.
Martin Bujard