Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg), Edelgard Bulmahn, Dr. h.c. Gernot Erler, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Gerold Reichenbach, René Röspel, Svenja Stadler, Christoph Strässer und Kerstin Tack (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschrei­bungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz– EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33)

Solche persönlichen Erklärungen formulieren wir oft dann, wenn wir ein absolut notwendiges Gesetz nicht mittragen können, weil es nach eigenem Urteil gravie­rende unverzeihliche oder irreversible Mängel enthält oder wenn wir einem Ge­setzesentwurf zustimmen obwohl er noch gravierende Mängel enthält, aber nichts zu beschließen der größere Fehler wäre. Mit dem EEG 2017 haben wir ein Bei­spiel, das zeigt, wie schmal der Grat zwischen Zustimmung oder Ablehnung sein kann: mit einer fast wortglichen Erklärung wie die oben aus dem Protokoll des Bundestages zitierte, haben Nina Scheer und Hilde Mattheis im Gegensatz zu mir das EEG 2017 abgelehnt.

Exkurs: Dies ist auch – nur einer unter vielen – ein schöner Beleg zu zeigen, dass es „Fraktionszwang“ nicht gibt, leider gibt es das Wort und leider benutzen es auch manchmal selbst Parlamentarier.

Der Hauptgrund warum wir uns im Bundestag bei manchen Gesetzen so schwer tun, ist der echte Kompromiss. Echte Kompromisse tun weh. Wenn auf der einen Seite mit wehmütigem Blick nach Frankreich noch heimlich den abschaltgeweih­ten Atomkraftwerken nachgetrauert und Fracking mit der Bemerkung „das be­kommen wir in den Griff“, das Wort geredet wird und Kohle- und Gaskraftwerke als praktisch unbefristete „Übergangstechnologie“ und Grundlastnotwenigkeit angesehen werden – auf der anderen Seite aber klar ist, das wir schon heute alle fossilen Reste in Kohle, Öl und Gas in der Erde lassen sollten und es klug, ja not­wendig wäre die Energieversorgung komplett auf die Sonne umzustellen um unsere Welt zu retten und um dem deutschen industriellen Mittelstand und der deutschen Industrie und ihrem Dienstleistungssektor einen internationalen Zu­kunftsmarkt zu eröffnen – spätestens, wenn in anderen Ländern erkannt wird, welche Gefahren von Radioaktivität und CO2 ausgehen und auf wen die Ewig­keitskosten für noch nicht entdeckte Endlager abgewälzt werden – wenn sich solche Antipoden in solch großem Abstand gegenüberstehen, ist der politisch kluge Kompromiss die Nadel im Heuhaufen.

Ich habe demEntwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien“ (Erneuerbare-Energien-Gesetz– EEG 2017) zugestimmt, nachdem der vom Kabinett, also allen Ministern und der Kanzlerin vorgelegte Entwurf, in wichtigen Teilen geändert wurden. Das war eine riesige Leistung meiner fachlich zuständigen Kolleginnen und Kollegen im parlamentarischen Verfahren. Und das in einem Umfeld beinharter Lobbyinteressen und Lobbyarbeit auf beiden Seiten. Den originalen Regierungsentwurf hätte ich abge­lehnt.

Nachfolgend die wichtigsten Verhandlungsergebnisse, von denen wir viele auch Nina Scheer verdanken…

  • Im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschrei­bungen wird, zur Wahrung der Akteursvielfalt, die Möglichkeit der Teil­nahme auch von Kommunen gestärkt. So kann eine Teilhabe an der Ener­giewende über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiege­sellschaften zehn Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Dies ist ein wichtiger Schritt, da nicht alle Menschen die finan­ziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung haben, so jedoch über ihre Kommune beteiligt werden können. Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen.
  • Bereits im Kabinettsentwurf war verankert, dass Bürgerenergiegesellschaf­ten keine Bundesimmissionsschutz-Genehmigung vorlegen müssen. Hier­mit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart.
  • Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten Gebot, das den Zuschlag erhalten hat (Bonus für Bürgerenergie), womit ein wei­terer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird.
  • Im EEG finden sich nun erste Schritte zur Sektorkopplung – der Verknüpf­ung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor.
  • Strommengen aus Erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt wer­den, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungsformen, wie etwa Speicher, verwendet werden kön­nen.
  • Über eine Verordnung sollen demnächst Mieterstrommodelle ermöglicht werden. Wir stärken an dieser entscheidenden Stelle das schwächste Glied in der Energieversorgungskette, nämlich die Mieter und Mieterinnen als Endverbraucher.
  • Durch Mieterstrommodelle schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung, dass die Energiewende nun auch die Städte erreicht. Damit wird ein Bei­trag zur klimaneutralen Stromversorgung geleistet und gleichzeitig Mieter und Mieterinnen entlastet.
  • Privatpersonen und kleine Unternehmen können Dach-Photovoltaikanla­gen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw. zum Selbstverbrauch errichten.
  • Für den Bereich Wind Onshore konnte gegen den Willen des Koalitions­partners das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundes­weiter Ausbau möglich bleibt.
  • Für Wind Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibe­halten werden. In den nun vorliegenden, zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse.

Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde im parlamenta­rischen Verfahren eine Teilnahmemöglichkeit am Ausschreibungsverfahren geschaffen. Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive.

  • Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verschoben.
  • Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre.

Mit diesen Veränderungen des Gesetzesentwurfs und der Hoffnung, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag mal wieder zugunsten der erneuerbaren Energien ändern, können wir im Rahmen der Möglichkeiten zufrieden sein – auch wenn uns der Rahmen nicht gefällt.