Erste Wiederannäherungsversuche
Lothar Bindung geizt in der Stadtbücherei nicht mit Lob für Michael Sommer (DGB)
Von Reinhard Lask – RNZ vom 25.2.06 Seite 5
So ganz traut der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Michael Sommer den Umarmungen der schwarz-roten Regierungskoalition nicht. Noch vor nicht allzu langer Zeit war der 54-jährige wegen seiner strikten Ablehnung der Agenda 2010 nicht mal in führenden SPD-Kreisen sonderlich beliebt.
Heidelbergs SPD-Bundestagsabgeordneter Lothar Binding holte jetzt den DGB-Chef im Rahmen seiner Reihe „Aus der Nähe“ in die Heidelberger Stadtbibliothek und geizte nicht mit Lob. Sommer habe immer für soziale Gerechtigkeit und gegen den neoliberalen Zeitgeist gekämpft. In der SPD nach Schröder herrscht die Parole „Komm an mein Herz, du lieber DGB“ . Binding versuchte im Gespräch in erster Linie nach dem Privatmenschen Sommer zu fragen, der sich dann als Familienmensch, Hundeliebhaber und Hobbykoch zu erkennen gab. Doch die schwierige Beziehung mit dem Ex-Kanzler wurde nicht unter den Teppich gekehrt.
Schonungslos berichtet Sommer von den Attacken und Demütigungen, die er von Schröder zu Hochzeiten der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 erhielt, aber mit Gelassenheit ertragen habe. Nur einmal sei es ihm zu bunt geworden: Auf einer Veranstaltung, in der beide ihre Plätze hintereinander hatten, meinte Schröder vom Podium zu ihm herab: „Hinter mir sitzt ja der Kollege Sommer. Hoffentlich haben die Sicherheitsbeamten ihn nach Waffen durchsucht.“ Da habe er Franz Müntefering angerufen und ihn gebeten, Schröder wieder zu Raison zu bringen.
Trotz des Genossen DU ist die Stimmung in der Stadtbücherei nicht vollkommen entspannt. Mehrmals am Abend stellt der Umworbene in Nebensätzen klar, welche SPD Entscheidung er nach wie vor für falsch halte: Die Agenda 2010 und Hartz IV. Richtig umarmen lässt er sich in Heidelberg nicht. Aber Sommer scheint Realist genug, um die ausgestreckte Hand anzunehmen. Es wird klar, dass Gewerkschaften und SPD einander brauchen und sich wieder annähern wollen. Die reformgestörte Beziehung muss allerdings erst wieder wachsen.
Dabei soll es für den DGB-Chef aber keine faulen Kompromisse geben. „Wir haben gegen Helmut Schmidt gekämpft und dann gegen Helmut Kohl- dann hatten Wir drei Jahre Hoffnung, und dann kam die Agenda 2010“, erzählt Sommer selbstbewusst. Seine schwierigsten Stunden habe er bisher im gewerkschaftsinternen Streit um die Agenda und die Haltung zur regierenden SPD erlebt. Damals ging es darum, „seinen Laden“ zusammenzuhalten. Noch im September wurde „der Gerd“ auf dem Uni-Platz begeistert gefeiert. Seine ungeliebte Agenda 2010 wurde als „vernünftig“ gepriesen und Hartz IV als sozial gerecht. Nur ein knappes halbes Jahr herrscht verkehrte Welt. Nach Gerhard Schröder kräht kein Hahn mehr nach, und Michael Sommers Kritik an Schröders Reformen wird nicht mehr widersprochen.