Lothar Bindings Stippvisite im Reich der Mitte
Heidelberg – Peking wird 2008 die Olympischen Spiele, Shanghai 2010 die Weltausstellung organisieren. Mehr als zwanzig Jahre Reformpolitik haben China den Anschluss an die Wirtschaftsentwicklung der Welt gebracht und die politische sowie gesellschaftliche Isolation durchbrochen. Manch einer möchte da fragen, warum die Volksrepublik China denn noch „Entwicklungshilfe“ erhalte, obgleich sich dieses Land doch offenbar sehr schnell entwickle, moderne Technik wie den Transrapid nutzen könne und sogar eine Olympiade ausrichte. Das ist zwar alles nicht zu bestreiten, doch gibt freilich nur ein unvollständiges Bild.
Die volkswirtschaftlichen Daten weisen China eindeutig als ein Entwicklungsland aus. Das hier erwirtschaftete Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung liegt beispielsweise noch unter dem von Papua Neuguinea, Albanien, Jordanien, und Namibia. China: Entwicklungsland im Osten – Industrienation im Westen? Dieses Spannungsverhältnis ist für die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik besonders interessant. Um jüngste politische, sozioökonomische und auch kulturelle Entwicklungen im China der „vierten Generation“ zu beleuchten und um Zukunftsprojektionen mit Experten zu diskutieren, nahm MdB Lothar Binding gemeinsam mit drei weiteren Finanz- und Entwicklungsexperten als Delegationsmitglied der SPD-Bundestagsfraktion kürzlich an einer Reise nach Shanghai sowie zum Regierungssitz Peking teil. Dabei gehörten auch Menschenrechtsfragen zu den stets so heiklen wie wichtigen Gesprächsthemen.
Auf der durch die Friedrich-Ebert-Stiftung vorbereiteten Kurzreise trafen die Delegationsteilnehmer in der Hauptstadt Peking u. a. mit Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dem deutschen Botschafter sowie Ministern und Funktionären der kommunistischen Partei Chinas zusammen. In den Gesprächen wurde deutlich, welch enormen Weg China gegangen ist, um heute die gesamte Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Der Misereor-Vertreter in China, Michael Büsgen, bezeichnete die Situation der 100-150 Millionen Wanderarbeiter und die der Bauern als besonders problematisch. Noch deckt China fast 70 % seines Strombedarfs aus Kohlekraftwerken. Dass sich der Anteil an erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren deutlich erhöhen muss, war allgemeine Erkenntnis der deutschen und chinesischen Gesprächspartner.
In Shanghai standen Besuche bei deutschen Firmen wie VW Shanghai, Gespräche mit dem deutschen Honorarkonsul, dem stellv. Oberbürgermeister der 17 Millionen Einwohner (plus 3 bis4 Millionen Wanderarbeiter zählenden Stadt und natürlich eine Fahrt mit dem Transrapid an. Der von einem deutschen Konsortium gebaute Magnetschnellzug wird als „Zeichen der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Deutschland“ verstanden. Der Kostendeckungsgrad des von deutscher Seite mit 100 Mio. Euro bezuschussten und mit weiteren 500 Mio. Euro Hermes-Bürgschaft abgesicherten Pilotprojekts, so erfuhren die Teilnehmer, liegt noch unter 20 %. Eine wesentliche Rolle spielt dabei, dass die Endstation nicht im Zentrum sondern an der Peripherie von Shanghai liegt und dadurch die Zeitersparnis für viele Reisende wieder verloren geht. Künftig sollen solche Projekte davon abhängig gemacht werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich Hoffnungen auf verbesserten Individualverkehr und auch auf Folgeaufträge erfüllen.
Die Delegationsmitglieder nahmen außerdem an einem Seminar zum Thema „Rechtsstaatsentwicklung“ am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg der Tongji Universität teil. Jüngste Reformschwerpunkte liegen in den Bereichen Justiz und Rechtsanwendungen bzw. deren operativer Umsetzung. Auch Fragen zum Thema Qualifikation und Vergütung wurden angesprochen. Lothar Binding, selbst im Dualen System bei Siemens ausgebildet, erläuterte den Studenten die Entwicklung des Dualen Systems in Deutschland unter branchenspezifischen Gesichtspunkten.
Die Teilnehmer der Kurzreise kamen mit der Gewissheit aus China zurück, dass das besuchte Land ein ökonomisches Wachstumspotential innerhalb der kommenden Jahre birgt, weshalb die internationale Kooperation mit China, gerade auch im Bereich des Außenhandels forciert werden sollte. Eine internationale Zusammenarbeit könne dazu beitragen, dass beide Kooperationspartner voneinander profitieren.
SF