soell_01Heidelberg – Wie im Jahr 1925 trafen sich auch 2005 Sozialdemokraten in Heidelberg. Damals um das Heidelberger Programm zu beschließen, 80 Jahre später um seine Bedeutung zu reflektieren und über Klassenkampf und internationale Politik zu diskutierten.

Lothar Binding, Bundestagsabgeordneter, begrüßte zu Anfang für den Kreisvorstand den Landtagsabgeordneten Claus Wichmann und die Stadträte Karin Werner Jensen, Lore Vogel, Reiner Nimis, Karl Emer und bedankte sich beim Leiter der Gedenkstätte Ulrich Graf für die Möglichkeit zu dieser Veranstaltung an dem dafür einzigartig prädestinierten Ort einladen zu können. „Dies ist eine gute Veranstaltung, sich seiner Geschichte und den sich draus ergebenden Chancen für die Zukunft bewusst zu werden.“, so der SPD Bundestagsabgeordnete. Der Historiker und ehem. Heidelberger Bundestagsabgeordneter Prof. Dr. Hartmut Soell hielt die Festrede. Er hob heraus, dass das Programm „gegen ganz wenige Stimmen“ verabschiedet wurde, und der Abschnitt „Internationale Politik“ von besonderer historischer Bedeutung sei. Dort seien grundsätzliche Wert- und Zielvorstellungen präzise zusammen gefasst, die die Konzepte der SPD zur internationalen Politik von ihren Anfängen bis in die Gegenwart nachhaltig geprägt habe.

Die friedenspolitischen Grundsätze des Heidelberger Programms bestimmten von Anfang an die Haltung der Sozialdemokraten zu internationalen Fragen. „Für die Treue zu diesen Prinzipien nahmen sie Diffamierungen: „vaterlandslose Gesellen“ und politische Verfolgung in Kauf“, so Soell. Auch die Forderung nach einer „Europäischen Lösung“ ist im Heidelberger Programm erstmals zu finden: Die SPD „tritt ein für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa“. Um den ehemaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu ehren und sein politisches Vermächtnis zu bewahren, hatte der SPD-Vorstand damals Heidelberg als Ort des Parteitages bestimmt. Zum historischen Kontext, in dem das Heidelberger Programm verabschiedet wurde, gehörte auch das Gesamtproblem der Koalitionspolitik. Hatte doch die SPD in den ersten Jahren der Weimarer Republik in der Koalition mit bürgerlichen Parteien viele Kröten schlucken müssen und damit viel an Vertrauen in ihrer Anhängerschaft eingebüßt.

bulmahn04052_01Zu den Mitautorem des Heidelberger Programms gehörte u.a. auch Rudolf Hilferding (1877 bis 1941). Dieser hatte in den Jahren vor 1914 die damals schon sichtbare Tendenz zur Vereinigung von Industrie-, Handels- und Bankkapital zum „Finanzkapital“ und die sie begleitenden Monopolisierungsprozesse untersucht, zu deren Beschreibung später der Begriff „Organisierter Kapitalismus“ benutzt wurde. Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen finden auch im grundsätzlichen Teil des Heidelberger Programms ihren Niederschlag.

Hilferding hat in der Emigration nach 1933 deutlicher als zuvor erkannt, welche Bedeutung dem Handeln auf staatlicher Ebene gerade in diesem Bereich zukommt. Ein von ihm Ende der dreißiger Jahre verfasster Beitrag zur Finanz- und Wirtschaftspolitik – kurze Zeit später ist er ein Opfer der Gestapo in einem Pariser Gefängnis geworden – ist 1955 von Benedikt Kautsky veröffentlicht worden und hat den Autoren des Godesberger Programms wie Heinrich Deist, Fritz Erler und anderen bei der Formulierung der wirtschaftspolitischen Passagen geholfen.

Die Idee der europäischen Einigung ist die produktivste Idee im Heidelberger Programm, die politisch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwirklicht wurde. „Sie ist insoweit auch Modell für andere Regionen der Welt, als sie zeigen kann, wie größere und kleinere Nationen Jahrhunderte lang währende Konflikte überwinden und konstruktiv zum Wohl aller zusammenarbeiten können.“, so der Historiker.“ Es ehrt die deutsche Sozialdemokratie, dass sie sich als eine der großen politischen Parteien des Kontinents diese Idee als erste auf ihre Fahnen geschrieben hat. Uns Heidelberger Sozialdemokraten freut es, dass es hier bei uns geschehen ist.“, führte Prof. Soell zum Schluss aus.

In ihrem Schlusswort erarbeitete Ulrike Hamann als Vorsitzende des Arbeitskreises Europa- und Außenpolitik die besondere Bedeutung des Heidelberger Programms für die Internationale Politik im Verlauf der Geschichte seit 1925 und für die Gegenwart.