Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding gibt sich mit der Stellungnahme der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Sammlung Flick nicht zufrieden
Der Heidelberger SPD-Abgeordnete Lothar Binding wirft dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor, Geschäfte mit einer Schwindelfirma zu machen. In einem offenen Brief an Klaus-Dieter Lehmann schreibt Binding: „Im Hinblick auf die Ausstellung der Flick Collection ist Vertragspartner der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Contemporary Art Ltd. aus dem Steuerparadies Guernsey. Bis zu diesem Vorgang war es mir nicht vorstellbar, dass die deutsche öffentliche Hand Millioneninvestitionen auf der Grundlage eines Vertrags tätigt, den sie mit einer auf Guernsey ansässigen Briefkastengesellschaft abgeschlossen hat.“
Sein Brief vom 15. April ist die Antwort auf Lehmanns Stellungnahme zu einem Artikel in der Zeit der letzten Woche, in dem Lehmann betont hatte, es handle sich bei der Flick Collection um eine Leihgabe und dass „Steuern bei einer Leihe erfahrungsgemäß nicht anfallen“ können. Lothar Binding hatte zuvor den Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin aufgefordert, der Firma Contemporary Art Ltd., mit der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Vertrag über die siebenjährige Leihgabe geschlossen hat, eine Steuernummer zuzuteilen. Nach seinen Kenntnissen des deutschen Steuerrechts bedeute die Ausstellung die Betriebsstättengründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Die Sammlung gelte dabei als ihr Betriebsvermögen, und dessen Vermehrung, auch wenn es sich nur um Buchwerte handle, müsse versteuert werden. Binding führt gegen die Stiftung besonders das weitgehende Mitspracherecht von Friedrich Christian Flick bei der Betreuung der Sammlung an, etwa über seinen Galeristen Iwan Wirth oder Dorothea Zwirner, Ehefrau seines ehemaligen Galeristen Rudolf Zwirner (dessen Sohn David in New York gemeinsam mit Iwan Wirth eine Galerie betreibt): „Die deutsche Besteuerung hängt also nur noch davon ab, ob die Contemporary Art Ltd. in Deutschland eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter unterhält. Dies steht spätestens seit dem Spiegel-Interview mit Herrn Friedrich Christian Flick [vom 8. 3. 2004 – d. Red.] völlig außer Zweifel: Er hat in dem Gespräch eindeutig herausgestellt, dass er es war, der die Rieck-Halle nach seinen Vorstellungen umbauen ließ. Außerdem ist er es, der unmittelbar auf die Ausstellung Einfluss nimmt: Folgerichtig hat der Spiegel das Gespräch auch mit ,Sammler wollen Einfluss‘ betitelt. In der Tat nimmt Herr Flick nicht nur Einfluss, sondern er bestimmt de facto nahezu alles: Hat er doch mit seinem Galeristen Iwan Wirth, mit Herrn Peternader und der Kunstexpertin Dorothea Zwirner gleich drei Personen seines Vertrauens nach Berlin entsandt, damit die Ausstellung in vollem Umfang nach seinen Vorgaben gestaltet wird. Am Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte und eines ständigen Vertreters im Inland besteht also nicht mehr der geringste Zweifel.“ Gegen Lehmanns Argument, die Flick Collection werde nicht erst durch ihre Präsentation in Berlin im Wert gesteigert, argumentiert Binding: „Da die Werke der Flick Collection bisher noch nicht öffentlich ausgestellt wurden, wird sich die Ausstellung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz besonders wertsteigernd erweisen. Alles andere widerspräche allen bisherigen Erfahrungswerten.“ Und diese Wertsteigerungen „müssen hier versteuert werden“; dies ist in den „Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, dort Tz 2.6.3, eindeutig geklärt“.
Bindings Ausführungen bedeuten, dass das Flicksche Firmengeflecht und ihre Bilanzen offen gelegt werden müssten. Sonst könnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unter den Anfangsverdacht der Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung geraten.
taz Nr. 7337 vom 19.4.2004, Seite 16, 122 Zeilen (TAZ-Bericht)
BRIGITTE WERNEBURG