„Man soll seine Steuern dem Staat zahlen, wie man seiner Geliebten einen Blumenstrauß schenkt.“ So wie Novalis haben es Klaus Zumwinkel, Uli Hoeneß und Alice Schwarzer – um mal drei Beispiele zu nennen – erwiesenermaßen nicht gesehen. Das Thema Steuerhinterziehung kommt immer wieder im Zusammenhang mit bekannten Persönlichkeiten in die Medien. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Steuerhinterziehung“? Im Grunde ist es ein Oberbegriff für eine Reihe von möglichen Handlungen, die entweder zu einer Steuerverkürzung führen oder den Steuerpflichtigen einen ungerechtfertigten Steuervorteil verschaffen. Es ist Pflicht, in der Steuererklärung vollständige und richtige Angaben zu machen, damit die Steuern festgesetzt werden können. Werden unrichtige Angaben gemacht, entweder indem jemand aktiv handelt, z. B. falsche Angaben zu seinen Werbungskosten macht, oder indem er etwas unterlässt, z. B. Zinseinnahmen anzugeben, droht eine Strafe.

Dass es sich bei den Steuerdelikten keinesfalls um Bagatellen handelt, zeigen schon die Zahlen für das Jahr 2012: die Steuerfahndung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben etwa 32.000 Fälle bearbeitet mit dem Ergebnis, dass knapp 3,1 Milliarden € an Mehrsteuern festgesetzt und etwa 16.000 Strafverfahren eingeleitet wurden. Den mit Abstand höchsten Anteil daran hatten mit ungefähr 2 Milliarden € die Umsatzsteuern.

2012 wurden knapp 70.000 Steuerstraftaten verfolgt und abgeschlossen. Es gab mehr als 8.000 Verurteilungen und Strafbefehle, insgesamt wurden mehr als 2.000 Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Von den verbleibenden Verfahren wurden ungefähr 10.000 wegen Geringfügigkeit eingestellt und 18.000 gegen Auflagen eingestellt. Insgesamt wurden Geldstrafen in Höhe von knapp 57 Millionen € verhängt. Geahndet wurde die Hinterziehung von insgesamt fast einer Milliarde €. Für das Jahr 2013 liegen noch keine endgültigen Erkenntnisse vor.

Angesichts dieser Zahlen drängt sich die Frage auf, wie es soweit kommen konnte. Ein Aspekt ist sicher, dass die Risiken der Entdeckung gering waren und bisweilen noch sind – Steueroasen haben wenig bis kein Interesse daran Informationen weiter zu geben, sie locken mit niedrigen Steuersätzen, Sonderregelungen für Prominente und einem sicheren Bankgeheimnis. Darüber hinaus ist die Aufklärung von Steuersachverhalten aufwändig und schwierig. Es fehlt zum Teil an den erforderlichen Sach- und Personalmitteln, so dass die Prüfungen auf Stichproben beschränkt sind oder aus Erkenntnissen von den so genannten Steuer-CDs und „Hinweisen“ durch Dritte – Kollegen, Familienangehörige, Subunternehmer, …  – resultieren.

Wir konnten uns mit der CDU/CSU im Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode darauf einigen, dass wir die Steuerhinterziehung in Deutschland, aber auch global stärker bekämpfen wollen. Wenn auch in manchen Teilen der Bevölkerung immer noch eine andere Ansicht herrscht: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt! Die Frage der Steuergerechtigkeit ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Steuerhinterziehung ist Betrug an der Allgemeinheit in Millionenhöhe. Die hinterzogenen Gelder sind Einnahmen, die wir für Investitionen dringend benötigen: für Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherung.

Weil Steuervermeidung auf sehr vielen Ebenen und in vielen Bereichen – national und international – stattfindet, müssen auch die Lösungen sehr vielfältig sein. Auf nationaler Ebene brauchen wir ein einheitliches Vorgehen der Länder und der Finanzbehörden sowie eine bessere Ausstattung der Steuerfahndung, der entsprechenden Einheiten in den Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaften. Außerdem fordern wir den Aufbau einer bundesweiten Steuerfahndung zur Unterstützung der Finanzbehörden in den Ländern.

Zu den Lösungen gegen Steuerhinterziehung in grenzüberschreitenden Fällen gehören unter anderem Einführung und Standardisierung des automatischen Informationsaustausches zwischen den nationalen Steuerbehörden. Außerdem unterstützen wir den Aktionsplans der OECD zur korrekten Besteuerung multinationaler Unternehmen.

Der BEPS-Aktionsplan der OECD

Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development, deutsch: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat im Sommer 2013 den so genannten BEPS-Aktionsplan vorgestellt. BEPS steht für base erosion and profit shifting und bezeichnet eine Strategie international agierender Unternehmen, ihre Steuerschuld so gering wie möglich zu halten: die steuerliche Bemessungsgrundlage (base) wird klein gerechnet (base erosion) und Unternehmensgewinne werden dorthin verschoben, wo die lokalen Steuervorteile am größten sind (profit shifting). Dafür nutzen sie Schlupflöcher in den nationalen Steuergesetzen, die nun geschlossen werden sollen. Die SPD begrüßt den Vorstoß der OECD, konnte das Anti-BEPS auch im Koalitionsvertrag vereinbaren und wird die Umsetzung des Aktionsplans auf internationaler wie nationaler Ebene voranbringen.

Der Aktionsplan benennt drei Ziele: erstens sollen nationale Steuerregelungen auf ihr Zusammenwirken mit den Steuerregelungen anderer Länder überprüft werden, so dass Unternehmensgewinne internationaler Konzerne ordentlich erfasst und versteuert werden können. Zweitens sollen bestehende Steuergesetze auf den neuesten Stand gebracht werden. Der Handel über das Internet ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen die Gesetzgebung mit dem technologischen Fortschritt nicht mithalten konnte und Gesetzeslücken entstanden sind. Drittens soll es einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerbehörden geben, so dass etwa eine doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften oder ein doppelter Betriebsausgabenabzug verhindert werden kann.

Zu einem funktionierenden Gemeinwesen müssen alle durch Steuern beitragen – die Bürgerinnen und Bürger genauso wie die Wirtschaft. Der Staat muss dafür sorgen, dass er sich nicht in einen ruinösen Wettbewerb mit anderen Staaten um die niedrigsten Steuern begibt, in der Hoffnung möglichst viele Unternehmen anzulocken. Denn dadurch schmälert er seine Einnahmen und in der Folge auch seine Handlungsmöglichkeiten. Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung schätzen, dass die Unternehmen alleine durch rechnerisches Dezimieren der Gewinne knapp 300 Milliarden an Steuern „sparen“, d.h. dem Staat vorenthalten. Eine international abgestimmte Vorgehensweise ist da sehr hilfreich. Aus diesem Grund sollen neben den OECD-Mitgliedern auch weitere Staaten der G20 den BEPS-Aktionsplan umsetzen. Ferner ist die Einbindung der UNO geplant, da auch viele Entwicklungsländer von der Verlagerung von Unternehmensgewinnen und dem Ausbleiben von Steuereinnahmen betroffen sind.

Bewiesene Steuerhinterziehung – Strafe?

Doch zurück nach Deutschland. Welche Strafen erwarten Steuerhinterzieher bei uns? In jedem Fall müssen die Steuern nachgezahlt werden. Bei einer Hinterziehung von weniger als 1.000 € wird das Verfahren im Allgemeinen gegen eine Auflage eingestellt. Bei einem Betrag bis 50.000 € wird eine Geldstrafe verhängt. Bei einem Betrag ab 50.000 € drohen bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Werden mehr als 1 Million € hinterzogen, wird eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verhängt, dann auch ist auch keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr möglich. Bei Geldstrafen werden auf der Grundlage von Tabellen der Oberfinanzdirektionen eine entsprechende Anzahl von Tagessätzen verhängt, in der Regel 1/30 des monatlichen Nettoverdienstes. Wie hoch diese dann ausfallen, ist regional sehr unterschiedlich. Wenn jemand beispielsweise einen Betrag von 10.000 € hinterzieht und sein Tagessatz 80 € beträgt, zahlt er dafür in Karlsruhe 2.400 € – und in München 400 €.

…und dann gibt es ja auch noch die strafbefreiende Selbstanzeige. Im Internet und in den Medien werden von findigen Anwälten erarbeitete Anleitungen veröffentlicht, wie man sich am günstigsten strafbefreiend selbst anzeigen kann. Gleichzeitig hat der Fall Hoeneß gezeigt, dass nicht überall, wo „Selbstanzeige“ draufsteht, auch „Strafbefreiung“ drinsteckt.

Tatsächlich nahm die Zahl der Selbstanzeigen in den letzten Jahren erheblich zu. Sie lag im vergangenen Jahr dreimal so hoch wie in den vorhergehenden Jahren. Allein in Baden-Württemberg stieg sie von 2362 im Jahr 2012 auf 6292 im Jahr 2013. Seit 2010 gab es insgesamt 60.000 Selbstanzeigen – mit Steuermehreinnahmen von knapp 3,5 Milliarden €.

Dass sich jemand strafbar macht und dennoch straffrei ausgehen kann, ist im deutschen Rechtssystem ungewöhnlich. Hintergrund ist die Komplexität der Sachverhalte und die Schwierigkeit sie aufzuklären. Dazu kommt aber auch, dass ein Steuerhinterzieher sich selten nur einmal strafbar macht. Um die Steuereinnahmen für die Zukunft zu erhalten, wird ihm deshalb diese „goldene Brücke“ zurück in die Legalität gebaut. Die SPD-Fraktion tritt für eine deutliche Verschärfung der Bedingungen bei der Selbstanzeige ein.