Humme: „Wirtschaftskrise birgt Chance auf Neuanfang“
Hattingen/Ennepe-Ruhr. Für „klare Regeln und ein neues Wertesystem für das internationale Finanzwesen“ hat sich der SPD-Finanzexperte Lothar Binding auf der Veranstaltung „Fraktion vor Ort“ am Mittwochabend ausgesprochen. Gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten Christel Humme und René Röspel und ihren Gästen im Hattinger Tafelhaus diskutierte er über die Krise und das Konjunkturprogramm.
Zunächst ließ der Heidelberger SPD-Abgeordnete mit einfachen Worten die Finanzkrise Revue passieren. Binding berichtete von den massenhaften ungesicherten Kreditverkäufen auf dem US-Immobilienmarkt, die – von scheinbar unabhängigen Agenturen positiv bewertet –zwischen Banken und Versicherungen hin und her gehandelt wurden. Letztendlich ein Geschäft mit heißer Luft, ihm fiel im Herbst zuerst die amerikanische Lehman-Bank zum Opfer. Dann griff die Krise auch auf andere Länder wie Deutschland über. „Große deutsche Banken hatten diese windigen Produkte auf den deutschen Markt gezogen.“ Nun wusste auch bei uns die eine Bank nicht mehr, „wie viel Mist die andere in ihren Bilanzen führt“, sagte Lothar Binding. Die Folge: „Keiner leiht dem anderen was.“
Eine fatale Situation für eine Volkswirtschaft, denn der Austausch von Geld sei der „Blutfluss der Wirtschaft“, so Experte Binding. Also verdoppelte der Bund noch im Dezember seine Bürgschaften für die Geldhäuser. „Bei der Bankenrettung ging es weniger um die Banken, sondern vor allem um die Einlagen der Sparer – und um Unternehmen, die dieses Geld sinnvoll investieren und Arbeitsplätze schaffen“, erläuterte Binding und fügte hinzu: „Dazu gab es keine Alternative.“
Laut Binding hätte die gegenwärtige Situation durch schärfere Regeln verhindert werden können. Aber: „Wer bisher internationale Regulierungen vorgeschlagen hat, wurde sprichwörtlich ausgelacht, unter heftigem Beifall der FDP und Teilen der CDU.“ So sei es Finanzminister Peer Steinbrück ergangen, der bei Kreditgeschäften auch von Banken außerhalb der EU verbindliche Sicherheiten forderte. „Wären ihm Länder wie die USA gefolgt, die Krise wäre nicht so, sondern viel schwächer ausgefallen“, sagte Binding.
Nun müsse die Wirkung der Bankenkrise auf Betriebe und den Arbeitsmarkt eingedämmt werden. Deshalb ermögliche der Bund mit seinem Konjunkturprogramm Investitionen in Milliardenhöhe: Zum einen in den Haushalten durch die „Abwrackprämie“ für Altautos oder durch die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Zum anderen in den Kommunen: Öffentliche Aufträge in Höhe von zehn Milliarden Euro sollen auch der regionalen Wirtschaft durch die Krise helfen. „Ganz bewusst fördern wir die energetische Sanierung kommunaler Bauten, zum Beispiel die Wärmedämmung von Schulen. Denn das spart künftige kommunale Kosten“, erklärte Lothar Binding.
Für die Zukunft des Finanzmarktes stellt sich Binding strengere Vorschriften vor. Ein Verbot rein spekulativer Leerverkäufe oder auch verbindliche Standards für die Haftung gehören dazu. „Wer einer Großmutter ein Produkt mit Totalausfallrisiko als sichere Geldanlage andreht, sollte auch persönlich haftbar sein.“ Christel Humme gab sich im Schlusswort zuversichtlich: „Schon lange hat es keinen fruchtbareren Boden für gerechtere Regeln für den Finanzmarkt gegeben.“