„Es geht nicht immer auf die nette Tour“ Weinheim. (groe) Da saß sie, die „Jeanne d“Arc der Gewerkschaft“. Kurz zuvor wurde ihr der Titel in einem der zahlreichen Diskussionsbeiträge zuteil. Und plötzlich gewann die Szenerie am Mittwochabend im Rolf-Engelbrecht-Haus eine neue Facette.Um sie herum bestätigendes Kopfnicken. Doch wer ist England, von dessen Joch das berühmte Bauernmädchen Jeanne d“Arc während des 100-jährigen Krieges Frankreich befreite? Wer also ist für Engelen-Kefer der Feind? Die Gewerkschafterin kämpft, lässt man die Arbeitgeberfunktionäre mal außer Acht, an zwei Fronten. Einerseits gegen die jetzige Regierung, deren Reformen von den Gewerkschaften in Teilen als unausgewogen bezeichnet und abgelehnt werden. Andererseits sieht Engelen-Kefer in der Opposition die weitaus größere Gefahr. Denn sie weiß, im Falle einer schwarz-gelben Regierung würden die Gewerkschaften mindestens genauso viel Macht einbüßen wie die SPD. Verständlich, dass ihre Warnung in Richtung Berlin unmissverständlich ist: „Die SPD soll sich endlich bewegen. Sonst ist sie weg.“
Doch die Reihe „Aus der Nähe“, zu der der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding und der Landtagsabgeordnete Hans Georg Junginger eingeladen hatten, ist nicht als politischer Fachvortrag gedacht. Als die SPD-Bundestagsabgeordnete Konstanze Wegner die Reihe 1991 ins Leben rief, ging es ihr darum, Personen, die man sonst nur aus der Ferne kennt, besser kennen zu lernen und zu erfahren, welche Einflüsse und Erfahrungen das politische, soziale Engagement geformt haben. Es sei das Anrecht politischer Bürger, sich ein Bild zu machen, betonte Engelen-Kefer.
Wer also ist die Frau, die sich irgendwo zwischen Gegensätzen wie „Jeanne d“Arc der Gewerkschaft“ und „Lobbyistin des Stillstands“ (Der Spiegel) bewegen soll? In hektisch aneinander gereihten Sätzen zeichnete die streitbare Gewerkschafterin das Bild ihres bisherigen Lebens; von ihrer Entscheidung als Sechsjährige, sich später in einem „professionellen Beruf“ Respekt und Anerkennung zu verschaffen, ihrem Studium der Volkswirtschaft in Köln: „Das war nicht so spezialisiert. Denn ich wusste noch nicht genau, was ich danach machen wollte.“ Von ihrer Zeit in den USA, wo sie gemeinsam mit ihrem Ehemann als Journalistin die Anstrengungen der Nachtarbeit kennen lernen durfte und wo auch ihre soziale Grundhaltung reifen sollte. Zurück in Deutschland musste die gebürtige Pragerin sich von Anfang an in einer von Männern dominierten Berufswelt behaupten. Finanziell gefördert durch ihren Mann schrieb sie ihre Dissertation über Arbeitsmarktprobleme in den USA und kam schließlich 1970 dank eines Forschungsauftrags zum DGB.
Ehrgeiz und Machtbewusstsein sind zentrale Eigenschaften von Engelen-Kefer: „Zeige Leistung, vielleicht fällst du jemandem auf“, lautet ihre berufliche Strategie. Doch Macht ist eine praktische Angelegenheit, und so musste sie nicht nur auf ihre Fachkenntnisse, sondern auch auf ihr Durchsetzungsvermögen vertrauen. Die Kombination sicherte ihr den Aufstieg bis zur DGB-Spitze, der sie seit 1990 angehört.
Neben ihrer beruflichen Karriere erzog Engelen-Kefer ihre zwei Söhne; in einer Zeit, in der die hehre Formel von Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein Thema war. „Ich habe das ganze Drama durchgemacht“, sagte sie. Viel von den Erfahrungen spiegelt sich in ihrer Stimme wider. Ihr Vortrag verdeutlicht, dass Engelen-Kefer heftige Diskussionen gewohnt ist: „Es geht nicht immer auf die nette Tour.“ Sie sprach schnell, formulierte ihre Meinung prägnant, mit einer durchdringenden Stimme. Wenn es sie emotional packte, blieb sie inhaltlich verständlich, ihre Stimme indes drohte sich zu überschlagen.
Rückblickend wählte sie einen Vergleich, der in die Region passt: „Es ist wie beim Spargel. Kaum wagt es eine Frau, ihren Kopf aus dem Boden zu stecken, schon wollen sie ihn herausziehen.“ Unbequem zu sein empfindet sie nicht als negative Eigenschaft, eher als Resultat eines individuellen Reifungsprozesses. Ungern lässt sie sich aber in eine bestimmte Schublade stecken. Erst recht weigert sie sich konform zu sein: „Ich bin schon immer ein Querkopf gewesen.“ Ob die Gewerkschaften bei den anstehenden Reformanstrengungen ihre Forderungen durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Ein Ziel hat Ursula Engelen-Kefer für sich zumindest erreicht: Sie ist unverwechselbar.
Weinheimer Nachrichten vom 24.5.04