nahles1_01Weinheim. (sf) Andrea Nahles und Lothar Binding lachen viel. Sie als Mitglied des SPD-Bundesvorstands und er als hiesiger SPD-Bundestagskandidat wirkten gestern wie zwei Politiker auf der Sonnenseite, deren Partei einen Tag zuvor alles andere als eine derbe Niederlage erlitten hat.

nahles2_01Beide waren zu Gast bei Egon Menzel, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Weinheim. Umrahmt von Wolfgang Metzeltin als Weinheimer SPD-Fraktionssprecher und Christian Stiebahl als Vorsitzender der Weinheimer Jusos suchten sie das Gespräch, wollten gewissermaßen aus der Praxis lernen und vor allem hautnah erleben, wie denn die große Politik im Alltag ankommt. Von der Gefühlslage innerhalb der SPD nach dem „Ole-Tag“ in Hamburg nahm Nahles, die Sprecherin der Partei-Linken und ehemalige Bundesvorsitzende der Jusos, gestern Abstand, ließ sich lieber berichten, wie es denn einem mittleren Unternehmen wie den Stadtwerken geht.

Denen geht es laut Geschäftsführer Menzel gut, eine Bilanzsumme von 57 Millionen Euro und ein Gewinn von Millionen Euro im Jahre 2002 untermauern dies. Trotzdem gab es auch Anlass zu Kritik, denn nach Meinung Menzels wolle Wirtschaftsminister Clement Deutschland zwar fit für Europa machen, andererseits passten aber die nationalen Rahmenbedingungen nicht. Abhilfe könnte dabei ein europäischer Interessenausgleich schaffen, wie es Nahles vorschlug und auch gleich notierte. Beim Blick über die nationalen Grenzen widmete sich die Gesprächsrunde auch den günstigeren Energiepreisen im Ausland, kam dabei zum Beispiel auf die Situation in Polen zu sprechen. „Gibt es da existenzielle Sorgen?“, wollte Nahles wissen. „Wegen dem billigeren polnischen Strom wird wohl keiner nach Polen ziehen“, meinte Menzel. Aber als Standort für ein neues Unternehmen sei dies sicherlich interessant. DaimlerChrysler hat dies erkannt: ein Teil der Fertigung wird in der Ukraine und Weißrussland erledigt.
nahles3_01Auch der dritte Entwurf des Energiegesetzes war ein Thema, der laut Menzel so manche Regelung beinhaltet, die für ein Unternehmen von der Größe der Stadtwerke einfach nicht sein könne. Ein einfaches Beispiel: Ein privater Nutzer bekommt ein Stromangebot eines Unternehmens aus Norddeutschland, die Stadtwerke geben ebenfalls ein Angebot ab. Außerdem müssen die Stadtwerke ein Angebot für den nördlichen Anbieter für die Nutzung der Leitungen in Weinheim erstellen. Zwei Angebote, die auch von zwei Mitarbeitern erstellt werden müssen und die sich untereinander nicht austauschen dürfen. „Informelle Trennung“ heißt dies im Gesetz, „das ist Politik“, meint Menzel dazu. Nach einer Stunde und einem teilweise sehr intensiven Gedankenaustausch in Sachen Energieversorgung outete sich Nahles dann doch noch: Sabine Christiansen schaute sie sich am Sonntagabend nicht an, die Schmach der Wahlniederlage in Hamburg wollte sie sich nicht doppelt zumuten. Und Binding? „Wir trennen das ganz klar und machen unsere Sacharbeit weiter. Und das wird Deutschland langfristig auch was bringen.“

Andrea Nahles besuchte noch die Friedrich Ebert Gedenkstätte und veranstaltete mit Lothar Binding und den Heidelberger Jusos eine Gespräch zum Thema „Demokratie braucht Zeit“. Dabei rief sie auf, die Kluft zwischen der SPD und den Gewerkschaften wieder zu schließen.

V.l.n.r. Pat Klinis, IG Metall, Laura Appell, Jusovorsitzende, LB, Andrea Nahles, Uli Graf

V.l.n.r. Pat Klinis, IG Metall, Laura Appell, Jusovorsitzende, LB, Andrea Nahles, Uli Graf