Niels Annen, MdB

Niels Annen, MdB

Seit Juli 2013 verhandeln die EU-Kommission und die USA über das TTIP-Abkommen. Mit der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft sollen Zölle und Handelshemmnisse abgebaut und Investitionen erleichtert werden. So könnte die weltgrößte Freihandelszone entstehen, in der die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung abgewickelt würde. Zurzeit wird viel darüber diskutiert, auch in Heidelberg. Lothar Binding lud sich dazu einen kompetenten Kollegen aus Hamburg ein. Niels Annen ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und hat sich intensiv mit dem Abkommen beschäftigt.

Bei seiner Begrüßung stellte Binding die erhebliche Sprengkraft von TTIP heraus, allein schon deshalb, weil die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfänden. „Zunächst muss mehr Transparenz hergestellt werden. Die Verhandlungsdokumente, auch verbindliche Zwischenergebnisse müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, denn unsere Interessen müssen gesichert bleiben“, so Binding kämpferisch.

Niels Annen bezieht ebenfalls klar Position: „Die geltenden Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Umwelt- und Gesundheitsschutzvorschriften dürfen nicht in Frage gestellt werden.“ Datenschutz, kulturelle Vielfalt in der EU und Erhalt der öffentlichen Daseinsvorsorge seien nicht verhandelbar, betonte der Hamburger Abgeordnete.

Die absoluten Gegner des Abkommens befürchteten in der lebhaften Diskussion, dass höhere EU-Standards dem TTIP-Abkommen geopfert würden. Grenzwerte für Chemikalien und Pflanzenschutzmittel könnten dann gesenkt, die Wassermärkte liberalisiert und Erdgas per Fracking gewonnen werden oder es würden gentechnisch veränderter Nahrungsmittel in die Supermärkte gelangen.

Ein Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus (ISDS), der es Investoren bei der vermeintlichen Verletzung ihrer Investorenrechte ermöglichen würde, Staaten vor internationalen Schiedsstellen außerhalb nationaler Rechtssysteme direkt auf Schadensersatz zu verklagen, lehnt Lothar Binding strikt ab. „ISDS ist zwischen zwei entwickelten Rechtsstaaten nicht notwendig, denn demokratisch herbeigeführte Entscheidungen für das Allgemeinwohl dürfen nicht in Frage gestellt werden. Als Beispiel nannte er einen schwedischen Energiekonzern, der die Bundesregierung auf 3,5 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt, weil im Zuge des Atomausstiegs die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel abgestellt werden mussten.

Niels Annen sprach noch einmal beide Extrempositionen an. Kräfte, die von vornherein aus poltisch-taktischen Gründen Verhandlungen ablehnten, ohne auf den Inhalt Einfluss zu nehmen; oder konservative Kräfte, die prinzipiell aus geopolitischen Gründen zustimmen wollen, ohne den Inhalt überhaupt zu bewerten, gingen nicht seriös mit der TTIP um. „Wir Sozialdemokraten loten Chancen und Probleme aus und knüpfen daran die Entscheidung“, so Annen. Es sei deshalb wichtig im Mai die „richtigen“ Kandidaten für das Europaparlament zu wählen, betonte er.

Er stellte aber auch die Chancen von TTIP heraus. Die USA sei der größte ausländische Absatzmarkt für europäische und deutsche Produkte. Der Abbau von Zöllen würde deutliche Kosteneinsparungen mit sich bringen. Die Abschaffung von bestehenden US-Handelshemmnissen und der verbesserte Zugang zum US-Markt für öffentliche Beschaffung können neue Absatzmärkte für EU-Unternehmen schaffen. Durch Vereinbarungen zu technischen Standards könnte oft der doppelte Aufwand vermieden werden. „TTIP könnte die Arbeitnehmerrechte in den USA stärken, so Annen. Dafür sollte das Abkommen die USA dazu verpflichten, die grundlegenden ILO-Standards zu ratifizieren und umzusetzen. In einer globalisierten Wirtschaft könnten mit dem Abkommen weltweit Regeln und hohe Standards gesetzt und das europäische Sozialmodell verankert werden.

Mit Blick auf die Zuverlässigkeit der USA bei der Umsetzung anderer  internationaler Vereinbarungen – als Beispiel nannte er die ILO Normen oder die Eigenkapitalvorschriften für Banken, Basel II – sei es entscheidend, ob sich die USA überhaupt an die schließlich getroffenen Vereinbarungen halte. So Binding in seinem Schusswort im Spannungsfeld von  Befürchtung und Hoffnung.