Novemberhilfen

Mit der Schließung von Gasthäusern und Hotels sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen wird der Ausbreitung des Covid-19-Virus entgegengewirkt. Das ist schlimm für die Besucherinnen, Besucher und Gäste. Noch schlimmer ist dies für die Unternehmer und Soloselbständigen für die damit erhebliche finanzielle Einbußen verbunden sein können. Mit einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe, auch Novemberhilfe genannt, will der Bund betroffene kleine und mittelständische Unternehmen sowie Soloselbstständige und Freiberufler unterstützen und Arbeitsplätze sichern.

Die Unternehmen erhalten im Lockdown-Zeitraum November 2020 einen pauschalierten Zuschuss für die betrieblichen Fixkosten in Höhe von bis zu 75 % des Vorjahresumsatzes des Monats November. Diese Regelung wollen wir bis zum 20. Dezember 2021 verlängern. Für junge Unternehmen, die nach dem 31. Oktober 2019 gegründet wurden, gilt der Umsatz Oktober 2020 als Bezugsmonat. Soloselbstständige können als Vergleichsumsatz alternativ den durchschnittlichen Monatsumsatz im Jahre 2019 zugrunde legen. Bei Antragsberechtigten, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, kann als Vergleichsumsatz der Monatsumsatz im Oktober 2020 oder der monatliche Durchschnittsumsatz seit Gründung gewählt werden.

In der Gastronomie ist der Vergleichsumsatz auf die Inhouse-Geschäfte mit dem vollen Steuersatz begrenzt. Im Gegenzug wird der während der Schließung erzielte Außer-Haus- Umsatz nicht auf die Novemberhilfe angerechnet. Bei allen anderen antragsberechtigten Unternehmen werden die aktuell im November erzielten Umsätze auf die Wirtschaftshilfe angerechnet, soweit sie 25 Prozent des Vergleichsumsatzes übersteigen. Damit soll eine Überförderung von mehr als 100 Prozent des Vergleichsmonats vermieden werden.

Auf die Novemberhilfe werden auch andere staatliche Förderungen angerechnet, insbesondere das Kurzarbeitergeld für die Belegschaft und die Überbrückungshilfe II.

Die Beantragung der Novemberhilfe ist an weitere Voraussetzungen geknüpft. Antragsberechtigt sind:

  1. Unternehmen, die direkt von der Geschäftsschließung laut Beschluss vom 28. Oktober 2020 betroffen sind
  2. Unternehmen, die indirekt von der Geschäftsschließung betroffen sind, weil sie 80 % ihres Umsatzes mit Unternehmen tätigen, die direkt vom Lockdown betroffen sind
  3. Verbundene Unternehmen, wenn mindestens 80 % des gesamten Verbundumsatzes durch direkt oder indirekt betroffene Unternehmensteile erwirtschaftet werden
  4. Unternehmen, die erst nach dem 31. Oktober 2019 gegründet wurden und vom Lockdown betroffen sind

Es muss sich um kleine oder mittelständische Unternehmen (Beschäftigte ≤ 249 im Jahresdurchschnitt und Bilanzsumme ≤ 43 Mio. Euro oder Umsatzerlöse ≤ 50 Mio. Euro) handeln, die sich nicht bereits am 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden.

Die Anträge sind auf einer zentralen Antragsplattform im Onlineverfahren zu stellen. Wie für die Überbrückungshilfen I und II können nicht die Unternehmen, sondern ausschließlich die Steuerberater Anträge stellen. Eine Ausnahme gilt nur für Soloselbständige, die nicht mehr als 5.000 Euro Novemberhilfe beanspruchen können. Sie dürfen sich selbst in einem speziellen Zertifizierungsverfahren auf der Antragsplattform anmelden.

Wer zahlt die Krise?

Konjunkturpaket, Novemberhilfen, Überbrückungsgelder – die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie kosten viel Geld. Ist das wirklich notwendig? Wer zahlt das alles? Und wie machen das eigentlich andere Länder?

 

Nichts ist teurer als im falschen Moment zu sparen. Ohne Unterstützung würden die  Corona-Viren unsere Wirtschaft in die Knie zwingen: Zunächst würde das Krankenhauspersonal krank, dann die Busfahrer*innen, die Lehrer*innen, einzelne Arbeiter*innen in der KfZ-Branche, in den Chemiewerken, auf dem Bau, im Export, im Import, im Einzelhandel, der Dienstleistungsbranche, im Orchester – nach und nach würden alle Lieferketten reißen. Und das Schlimmste: viele Leute verlören ihre Arbeit und Familien gerieten unter noch größeren Druck.

 

Gigantische Rettungs- und Hilfspakete werden momentan eingesetzt, um Menschen und Unternehmen, durch die Krise zu helfen. Das wichtigste ist das Kurzarbeitergeld zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und zur Rettung von Wissen und Erfahrung in den Betrieben. Zuschüsse, Kredite, Steuerstundung, Verlustrücktrag und Steuersenkung verhindern Insolvenzen und erhalten Arbeitsplätze Sie mildern den Wachstumseinbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ermöglichen Investitionen in Digitalisierung, Innovation und den ökologischen Umbau .

 

Alle diese Maßnahmen sind in der derzeitigen Lage absolut notwendig. Aber wer bezahlt das eigentlich alles und können wir uns das überhaupt leisten?

 

Zunächst nimmt der Staat Schulden auf, Staatsanleihen sind schließlich als sichere Anlage bekannt und beliebt. Es ist gut, wenn der Staat das Geld der Bürgerinnen und Bürger nimmt und klug investiert. So ist das Geld bei der Gemeinschaft gut und sicher angelegt. Der Staat muss nur aufpassen, dass seine Schuldentragfähigkeit stets erhalten bleibt. Die Zinsen dürfen ihn also nicht auffressen. Deshalb ist es gut, wenn die Schulden des Staates im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht zu stark anwachsen. Die Schuldenquote sollte nach den Maastrichter Verträgen bei unter 60 Prozent liegen. Diese war nach der Bankenkrise 2010 auf über 80 Prozent angewachsen, sank dann Anfang 2020 unter die 60 Prozent-Marke und stieg nun mit den Corona-Hilfsmaßnahmen wieder auf über 70 Prozent.

 

Die hervorragende Bonität Deutschlands verdanken wir u.a. auch der guten Arbeit von Olaf Scholz als Bundesfinanzminister, der den permanenten Steuersenkungsforderungen der Wirtschaft nicht nachgegeben hat und seiner guten Haushaltsführung in den letzten Jahren. Um die Schuldenbremse nach der Krise wieder einhalten zu können, wurde mit dem Bundeshaushalt 2020 und der Aufnahme der neuen Schulden auch gleich ein Abbaupfad für die kommenden Jahrzehnte beschlossen. Hier spielt der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Mit den Hilfen wird nach der Krise wieder Wirtschaftswachstum erzeugt. Damit steigt das BIP, die Schuldenquote sinkt und die Schulden fallen weniger ins Gewicht. Sie werden auf lange Sicht marginalisiert und sind später kein Problem. Mit Wachstum – hoffentlich in Richtung Zukunftsinvestitionen – zahlen sich die Schulden also selber ab.

 

Die Schulden sind gut angelegt, weil sie die Wirtschaft stabilisieren und zukunftsfähig machen. Die Alternative wäre verheerend. Denken wir zurück an die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts: Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Unternehmenssterben. Und zusätzlich käme auch noch ein tödlicher Virus hinzu.

 

Bisher gibt es noch keine konkreten Pläne, wie die Schuldenquote, über das Wirtschaftswachstum hinaus, zusätzlich wieder gesenkt werden kann. Dabei ist es klug abzuwarten, wer gut durch die Krise kommt und wer sogar ein „Krisengewinnler“ ist. Wir wissen auch noch nicht, wie sich die Corona-Krise weiterentwickeln und wie lange sie noch andauern wird.

 

Erste Überlegungen gehen in die Richtung, hohe und sehr hohe Einkommen stärker an den Kosten zu beteiligen. Das ist über die Einkommensteuer,  eine Vermögensteuer oder eine (einmalige) Vermögensabgabe denkbar. Das wäre auch gerecht, denn wer gut durch die Krise kommt, sollte sich danach auch an den Gemeinschaftskosten stärker beteiligen. In den 50er Jahren gab es eine Vermögenabgabe von 50 Prozent. Allerdings wurde sie auf 30 Jahre gestreckt und betrug somit weniger als zwei Prozent pro Jahr. Das war erträglich und wurde mit dem „Wirtschaftswunder“ belohnt. Die Wiedererhebung der Vermögensteuer wurde übrigens schon vor der Corona Krise bereits im letzten Jahr auf dem SPD Bundesparteitag beschlossen.

 

Nicht nur Deutschland steht vor der Frage, wie es die Kosten seiner Rettungs- und Hilfspakete finanzieren will.

Frankreich (Schuldenquote 120 Prozent) etwa hofft, dass schon alleine durch Wirtschaftswachstum in Folge der Hilfspakete ein Steuermehraufkommen generiert wird, dass hilft einen Teil der Schulden zu finanzieren. Steuererhöhungen hat die Regierung kategorisch ausgeschlossen. Im Gegenteil, es sind sogar Steuererleichterungen als wichtiger Teil des Paketes vorgesehen. Außerdem sollen die Staatsfinanzen effizienter strukturiert und ausgegeben werden. Das klingt zunächst gut, wird aber Ausgabenkürzungen an anderer Stelle bedeuten. Ob das dem Sozialstaat gut bekommt, wird man sehen.

 

Italien (Schuldenquote 160 Prozent) hingegen baut zu großen Teilen auf Gelder aus dem EU-Hilfspaket zur Überwindung der Covid-19 Pandemie. Damit will Italien ein umfassendes Programm von Investitionen und Reformen durchführen. Die Mittel aus dem eigenen Haushalt sollen besser verwendet werden. Eine genauere Beschreibung ist hier aber noch offen.

 

Die Regierung von Spanien (Schuldenquote 123 Prozent) hat die EU-Kommission informiert, dass sie plant die Einkommensteuer für hohe Einkommen anzuheben, sowie digitale Dienste, nicht wiederverwendbare Kunststoffbehälter und Finanztransaktionen zu besteuern. Außerdem ist eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Getränke mit Zucker und Süßstoffzusatz im Gespräch. Die geplante Absenkung der Unternehmensteuer für den Mittelstand von 25 auf 23 Prozent scheint ausgesetzt.

 

In Portugal (Schuldenquote 137 Prozent) plant die Regierung ihr Hilfsprogramm ausschließlich mit Mitteln aus dem europäischen Hilfsprogramm zu finanzieren. Dabei ist eine Beschränkung auf Zuschüsse vorgesehen. Mittel aus dem europäischen Darlehnsprogramm sollen nicht in Anspruch genommen werden.

 

Beim Blick in die USA (Schuldenquote 130 Prozent) muss man unterscheiden, ob man die Ideen der aktuellen Noch-Regierung von Präsident Trump oder die Pläne der zukünftigen Regierung des neuen Präsidenten Biden betrachtet. Die Trump-Administration plant ein Konjunkturpaket, unter anderem Schecks für Amerikanerinnen und Amerikaner, durch Ausgabenbeschränkungen in allen Haushalten zu finanzieren. Das Volumen für 2021 soll 4,4 Billionen Dollar betragen. Auf Grund des Wahlsieges von Joe Biden wird dieses Programm sicher nur zum Teil umgesetzt werden. Viel mehr plant die Biden Administration Steuererhöhungen für Spitzenverdiener über 400 000 Dollar, sowie eine Erhöhung der Körperschaftsteuer und das Schließen von Steuerschlupflöchern.

 

 

Wir sehen, es gibt verschiedene Möglichkeiten, die „Krise zu bezahlen“ und sich mit den Hilfen wieder in eine Wachstumsphase zu bringen. Dabei ist klar, dass dies nicht auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft passieren darf. Steuererhöhungen für kleine und mittlere Einkommen sowie Einsparungen im Sozialbereich sind daher keine Optionen. Vielmehr müssen wir die die Mittel klug investieren, so dass wir gestärkt und schnell aus der Krise kommen und einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum sozial-ökologischen Wandel gehen können.

 

Lothar Binding, Mitglied des Bundestags, Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

 

Johannes Gorges, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lothar Binding

Gegen die Bewaffnung von Drohnen – Angriff ist nicht die beste Verteidigung

Das Verteidigungsministerium unter Annegret Kramp-Karrenbauer dringt auf eine Bewaffnung der Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr. Das würde eine gefährliche Eskalationsspirale in Gang bringen.

 

Deutschland, Europa, ja, die ganze Welt ächzt unter den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie. Währenddessen bemüht sich das Verteidigungsministerium um eine Bewaffnung der in der Bundeswehr bisher lediglich für Aufklärungsmissionen eingesetzten Drohnen.

Im Einklang mit dem Beschluss des SPD Parteivorstands aus dem Jahr 2013 lehnt die AG SPD 60 plus eine Bewaffnung von Drohnen weiterhin ab. Es geht hierbei nicht „nur“ um die Aufrüstung der sogenannten Unmanned Aerial Vehicles (UAV), der unbemannten Fluggeräte, also Drohnen. Es geht auch nicht „nur“ um die neuen Möglichkeiten extralegaler, also außergesetzlicher Tötungen. Vielmehr ist die Diskussion Teil der übergeordneten Fragen, wie sich die Bundesrepublik Deutschland in einer sich weltweit stark wandelnden Sicherheitsarchitektur sehen möchte.

Welchen Weg wollen wir auf der Suche nach einer friedlichen Welt einschlagen? Wollen wir eines der Länder sein, die sich offensiv militärisch engagieren? Oder wollen wir ein friedenliebendes, ein friedenförderndes Deutschland sein und bleiben, ein Land, das sich seiner historischen Verantwortung bewusst ist und eine glaubhafte internationale Plattform für diplomatische Gespräche sein kann? Wie sollen wir das noch sein, wenn sich deutsche Pilot*innen (am Bildschirm) durch die Nutzung von unbemannten bewaffneten Kampfdrohnen nicht mehr von Pilot*innen aus aller Welt unterscheiden lassen – extralegal?

Vielfach wird in der Debatte ein altbekanntes Argumentationsmuster bemüht: Die weltweite Militärausrüstung und Ausstattung der Armeen bewege sich sowieso immer weiter in Richtung Automatisierung und deshalb könnten wir uns auch beteiligen. Wer nicht mitmacht, geht unter, so die Botschaft. Diese Logik entspricht im Kern der Logik des Kalten Krieges, der gegenseitigen Abschreckung durch Aufrüstung und liegt auf dem Niveau der atomaren Bewaffnung Nordkoreas.

Kluge Abrüstungs- und Friedenspolitik durchbricht diese sich selbst bestätigende Aufrüstungsspirale immer wieder. Dass es möglich ist, effektive Schritte in Richtung Abrüstung zu gehen, zeigt das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes von ABC-Waffen, also atomarer, biologischer und chemischer Waffen. Um weitere Schritte in Richtung einer friedlicheren Welt zu gehen, ist Aufrüstung maximal kontraproduktiv. Vielmehr ist es notwendig, dass wenigstens ein Industrieland den Anfang macht und mit der Bewaffnung von Drohnen gar nicht erst beginnt.

Natürlich wird als Grund für die Aufrüstung der Schutz der Soldat*innen genannt, oft genug vorgeschoben. Wer würde dem auch widersprechen? Selbstverständlich verdienen Menschen, Soldat*innen, die bereit sind, ihr Leben einzusetzen, den bestmöglichen Schutz – dazu zählt auch die Aufklärung mit Drohnen. Eine Bewaffnung von unbemannten Fluggeräten hat aber nichts mehr mit dem Schutz unserer Soldat*innen, nichts mit Verteidigung zu tun, auch wenn konservative Kreise das gerne so behaupten. Es sei denn, man folgt der Logik, dass Angriff die beste Form der Verteidigung sei. Ein Schild dient eben der Verteidigung, ein Schwert dem Angriff. Die Bewaffnung von Aufklärungsdrohnen wird zum offensiven Akt und schafft die Möglichkeit von Präventivschlägen.

Wir schaffen für sehr viel Geld immer neue Waffensysteme an, die sich mit trauriger Regelmäßigkeit als nicht einsatzfähig herausstellen. Statt diesen Weg weiterzugehen, sollte das Verteidigungsministerium lieber seinen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland ein Land wird, das (schwierigen) internationalen Gesprächen eine Heimat bietet.

Unbemannte Systeme senken die Hemmschwelle für Grenzüberschreitungen und damit auch für Souveränitätsverletzungen. Sie sind – wie andere Waffensysteme auch – nicht ethisch neutral, weil sie beeinflussen, wie unsere Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden.

Der Einsatz von bewaffneten Drohnen bedeutet den Übergang von Friedensmissionen in aktive Kampfmissionen, den Schritt von einer Schutzbedeutung deutscher Soldat*innen für einheimische Zivilist*innen hin zu einer potentiellen Bedrohung.

Im Koalitionsvertrag haben SPD, CDU und CSU vereinbart, dass „über die Beschaffung von Bewaffnung [für Drohnen] der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden wird.“ (Koalitionsvertrag, S.159) In Mitteilungen der Verteidigungsministerin lesen wir nun, dieser Würdigung sei durch eine einzelne öffentliche Anhörung im Verteidigungsausschuss Genüge getan. Eine „ethische Würdigung“ militärischer Aufrüstung braucht eine aber breite, öffentliche Debatte.

Im Koalitionsvertrag heißt es außerdem: „Rüstungskontrolle und Abrüstung bleiben prioritäre Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. […] Deutschland wird deshalb neue Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung ergreifen.“ (Koalitionsvertrag, S.148) Warum es konservativen Politiker*innen schwerfällt, in diesen Zeilen einen Widerspruch zu der Bewaffnung von Drohnen der Deutschen Bundeswehr zu sehen, bleibt ihr Geheimnis.

Kluge Politik denkt langfristig und erkennt Wirkungszusammenhänge, die im Falle der Bewaffnung von Drohnen zu einer Autonomisierung von Waffen führt. Denn was werden die Befürworter*innen im nächsten Schritt fordern, wenn sie feststellen, dass es trotz – oder gerade wegen – der Bewaffnung der Drohnen auch weiterhin Bedrohungsszenarien für unsere Soldat*innen gibt? Die nächste Forderung wird lauten, die Kampfdrohnen effektiver zu machen, indem sie die Bedrohungslage eigenständig analysieren und Handlungsempfehlungen an Piloten und Pilotinnen abgeben. Das bedeutet also, Abwägungen, die auch heute nur Menschen treffen können und sollten, an Maschinen zu delegieren. Auch das widerspricht dem Koalitionsvertrag: „Autonome Waffensysteme, die der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab. Wir wollen sie weltweit ächten. Deutschland wird auch künftig für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintreten.“ (Koalitionsvertrag S.149)

Konservatives Sicherheitsverständnis definiert sich auch weiterhin über Abschreckung durch Aufrüstung. Sozialdemokratische Politik setzt dagegen auf Dialog, auf internationale Kooperation und Wandel durch Annäherung.

Lothar Binding
Bundesvorstand der AG SPD 60 plus

Mitarbeit: Paul von Neumann-Cosel