„Die Große Koalition (1966-1969) behagte mir keineswegs“, schrieb Willy Brandt in seinen Erinnerungen. „Doch wo wäre eine bessere Lösung gewesen?“

Der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus begrüßt das klare Ergebnis: Zwei Drittel zu einem Drittel für die große Koalition. 66 Prozent der SPD-Mitglieder, die an der Entscheidung teilgenommen haben, sprachen sich für eine große Koalition aus. Eine deutlich größere Mehrheit als noch im Januar auf dem Bundesparteitag für Koalitionsverhandlungen gestimmt haben. Bei einer Wahlbeteiligung von etwa 80 % ist dies ein klarer Auftrag. Damit hat auch eine absolute Mehrheit aller Parteimitglieder für eine große Koalition gestimmt. Bei der Mehrheit überwiegt die Hoffnung, dass sich die SPD in der künftigen Koalition anders verhält, Kompromisse in pro und contra ehrlich darstellt, Glaubwürdigkeit und Vertrauen durch profiliertes Auftreten und durch Profil zurück gewinnt.

34 Prozent der SPD-Mitglieder, die an der Entscheidung teilgenommen haben, sprachen sich gegen eine große Koalition aus. Bei den Gegnern einer großen Koalition überwog die Befürchtung, in einer großen Koalition könnte das Profil der SPD weiter verblassen und eine Erneuerung der Partei unmöglich werden. Ein Drittel der abgegebenen Stimmen sind eine Mahnung, nun mit der Erneuerung ernst zu machen – anders als 2009 oder 2013.

Bisher hörten wir die Forderung nach Erneuerung tagein tagaus. Erneuerung: inhaltlich, personell, strukturell – konkreter wurde es in der Vergangenheit selten. Inzwischen sind andere Töne zu hören: Konstruktive Mitarbeit fördern, Bürgerinnen und Bürgern außerhalb und innerhalb der Partei mehr zuhören. Eine auch außerhalb der politischen Räume verständliche Sprache sprechen und politische Vorhaben einsichtig darstellen. Sagen, was geht und auch was nicht geht. Auch die Geschlossenheit nach innen und außen gehört dazu – vor allem in den sozialen Medien.

In der nächsten Phase gilt es diese eher abstrakt beschriebenen Tugenden zu konkretisieren. Eine erste Möglichkeit zu zeigen, was sich geändert hat, wird die Nominierung der Ministerinnen und Minister sein. Früher haben das der Parteivorsitzende und ganz wenige aus Partei- und Fraktionsvorstand individuell verhandelt, festgelegt und verkündet. Hier die Entscheidungsbasis zu verbreitern und den Nominierungsprozess zu öffnen, würde nicht nur in der Partei den Rückhalt der Regierungsmitglieder verbessern helfen.

Erneuerung kann allerdings nicht allein die Aufgabe der Jusos und des linken Flügels sein, Erneuerung muss das gesamte Mitgliederspektrum erfassen und überall diskutiert werden. Die AG 60plus ruft deshalb alle – Koalitionsbefürworter und -gegner – dazu auf, sich gemeinsam dieser “Erneuerung” zu stellen. Erst am konkreten Beispiel wird Erneuerung sichtbar und wirksam, deshalb wird sich die AG SPD 60 plus mit konkreten Beispielen an dem Antrag zur Erneuerung der SPD, der am 22. April 2018 auf einem Bundesparteitag beschlossen werden soll, aktiv beteiligen.

Die Wahl und Vereidigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Ernennung der Minister und Ministerinnen kann nun in der kommenden Sitzungswoche des Bundestages – wahrscheinlich am Mittwoch den 14. März – stattfinden. Und dann gilt es mit neuer Regierung zu regieren und gleichzeitig die SPD zu erneuern.