„Hilfe für die Gemeinden“
SPD Abgeordnete diskutieren mit Bürgermeister und
Kämmerer der Region - 15.11.2003
Neckarhausen - Der Gastgeber des Treffens, Bürgermeister Roland
Marsch, brachte es bei der Begrüßung auf den einfachen Nenner: "Wenn die
Kommunen nicht mehr investieren können, dann schaffen sie keine
Arbeitsplätze und dann sinkt das Steueraufkommen." Die schlechte
Prognose war überspitzt, traf aber den Nagel aber auf den Kopf: Die
Finanzen der Gemeinden werden seit Jahren immer weniger, vielen steht
das Wasser bis zum Hals. "Radikale Kürzungen in 2004, 2005 muss ich das
Schwimmbad schließen, und 2006 zahle ich die Angestellten mit Naturalien
aus.", so der Kommentar des Neckargemünder Bürgermeisters Horst Althoff.
Wie die Regierungskoalition die Einnahmesituation der Gemeinden stärken
will erläuterten im Neckarhäuser Schloss die SPD-Bundestagsabgeordneten
Lothar Binding und Prof. Gert Weisskirchen.

Mit dabei auch der CDU-Abgeordneter Dr. Karl Lamers, "Wir brauchen
eine Gemeindefinanzreform, und zwar sofort." Das im Oktober
verabschiedete Gesetz zur neuen Gemeindewirtschaftssteuer, das nach
Ablehnung im Bundesrat jetzt den Vermittlungsausschuss beschäftigt,
sollte aber nach „harten Verhandlungen“ auf den Weg gebracht werden, so
Lamers. Gert Weisskirchen MdB war zuversichtlich, dass der
Vermittlungsausschuss "durch deutlichen Druck der Kommunen am Ende eine
gute Lösung" zustande bringt. Die Gewerbesteuer, so Lothar Binding, sei
von jeher im breiten politischen Konsens gesetzlich gestaltet worden.
Daher habe er auch zum informellen Gespräch überparteilich eingeladen.
Insgesamt 30 teilnehmende Bürgermeister und Kämmerer mit ihren Nöten und
Ängsten zeigten mit ihrer Teilnahme, wie sehr ihnen das Thema
Gemeindefinanzen auf den Nägeln brennt.
Lothar Binding ging zunächst auf die wichtigste Einnahmequelle der
Gemeinden ein: die Gewerbesteuer. „Sie ist eine Steuer auf den Gewinn
eines Unternehmens. Sie ist der Beitrag der Unternehmen für die von der
Gemeinde aufgebauten Infrastruktur.“ Die Steuer läge bei etwa 10 bis 12%
auf den Gewinn, wobei die Personenunternehmen, also z.B. die meisten
Handwerksbetriebe,
diese an die Gemeinde bezahlten Steuern wieder komplett oder fast
komplett zurück erhalten würden. Neben der internationalen
Wachstumsschwäche falle hier deutlich die „durchaus legale
Steuergestaltung“ vieler Betriebe negativ ins Gewicht. „Wenn Unternehmen
Leasingraten, oder Darlehenszinsen quasi an sich selbst oder an
Tochterfirmen zahlen, erhalten deutsche Kommunen keine Steuern, trotz
des im Konzern verbleibenden Gewinns. Gleichwohl fahren die LKW der
Konzerne natürlich auf unseren Straßen und die Bauleitplanung für
Gewerbe und hoch geförderte Gewerbestandorte werden von allen
Steuerzahlern bereit gestellt.“, so Binding. Per Modellrechnung
erläuterte der Abgeordnete, wie der Gesetzgeber dem entgegenwirken und
durch eine Verbesserung der Bemessensgrundlage den Gemeinden höhere
Einnahmen sichern will. Die vorgeschlagene Lösung von SPD
Bundestagsfraktion, Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag
würde die Einnahmen der Kommunen um mehr als 3 Milliarden Euro
verbessern.
Insbesondere die steuermindernde Gestaltung zwischen verbundenen
Unternehmen müsse verhindert werden. So sollen Aufwendungen, die quasi
an sich selbst gezahlt werden als Gewinn aufgefasst werden und sind, zu
Finanzierungsanteilen von
25 % für Lizenzgebühren, 50 % für Leasing, Mieten Pachten von
beweglichen Wirtschaftsgütern und 50 % für Dauerschuldzinsen, 75 % für
Leasing, Mieten Pachten von Grundbesitz und 100 % für Gewinnanteile
stiller Gesellschafter im Rahmen der Gewerbesteuer zu versteuern.
Binding betonte, dass „an sich selbst bezahlen“ entspräche einer
Vorweg-Entnahme von Gewinnen und würde im neuen Gesetz als
„Zurechnungen“ zum Gewinn behandelt.
Die CDU hingegen, so der Abgeordnete Dr. Lamers, lehnt diese
„Substanzbesteuerung“ ab, da sie für manche Unternehmen „das Ende der
Existenz“ bedeuten könne. Auch die Veranlagung der Freiberufler in die
Gemeindewirtschaftssteuer bringe nichts, weil diese die Steuer über die
Einkommensteuererklärung zurück erstattet bekämen. "Aber den Gemeinden
bringt der Gemeindesteueranteil sicher was", warf dagegen Sinsheims OB
Horst Sieber ein. Es fände eine Umverteilung zwischen zwei Steuertöpfen
statt: von der Einkommensteuer zur Gewerbesteuer – also vom Bund und den
Ländern direkt zur Kommune. Dieser „Umweg“ wäre vermeidbar, so Binding
„aber wir wollen – verfassungskonform - das Hebesatzrecht, also eine
Form der Selbstbestimmung der Kommunen, erhalten“. Das gewählte
Verfahren ermögliche im übrigen jeder Kommune wie bisher ihren H ebesatz
individuell festzulegen. Roland Marsch fragte die SPD-Abgeordneten, ob
zur raschen Hilfe "das Ziel 1. Januar 2004, mit welchem Modell auch
immer" erreichbar sei. Lothar Binding unterstrich zum Abschluss, das
Gesetz wäre "mit der ersten Gewerbesteuervorauszahlung wirksam." Damit
eine schnelle Verstärkung der Kommunalfinanzen erreicht würde, senke der
Gesetzgeber die Gewerbesteuerumlage von 29% auf 22%, ab 2006 auf 19%.
Das hieße, die Kommunen müssten weniger an den Bund abführen. Prof. Gert
Weisskirchen bekräftigte noch einmal, dass die Gemeindewirtschaftsteuer
eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung sei und zu einer deutlichen
Verstärkung und Verstetigung der Einnahmen der Kommunen führe.
NT
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