Beitrag bei Tagesspiegel Causa vom 15.12.16

Die Strategie der EZB ist erfolgsversprechend. Der europäischen Investitionsplan kann aber nur aufgehen, wenn Investitionsbarrieren in den Mitgliedstaaten aktiv abgebaut werden. 

Die EZB agiert in einem Umfeld, das von erheblicher Unsicherheit geprägt ist. Nicht nur die Probleme des hoch verschuldeten italienischen Bankensektors bleiben zunächst ungelöst, durch das Scheitern des Verfassungsreferendums kommt es in Italien zusätzlich noch zu politischen Unwägbarkeiten. Die Europäische Union steht zudem im nächsten Jahr vor harten Brexit-Verhandlungen mit dem austrittswilligen Großbritannien, deren Ergebnisse völlig offen sind. Zudem wird sich frühestens im Laufe des nächsten Jahres zeigen, welchen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs der gewählte US-Präsident Donald Trump tatsächlich einschlagen wird. Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Rahmenbedingungen waren die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) am 8. Dezember 2016 zur Verlängerung des Anleihekaufprogramms folgerichtig. Die Entscheidung zur Verlängerung des Quantitative Easing ist positiv zu bewerten, innerhalb des Rahmens, in dem die EZB agieren konnte. Die Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch die genannten politischen Herausforderungen, Verwaltungsvollzugsdefizite in einigen Mitgliedstaaten und mangelnde fiskalpolitische Flankierung der geldpolitischen Maßnahmen.

Die Fortführung der Anleihenkäufe war eine folgerichtige Entscheidung der EZB.

Über den März 2017 hinaus werden die monatlichen Anleihekäufe bis mindestens Dezember 2017 fortgesetzt. Die EZB geht dabei einen Kompromiss ein: Sie kauft Anleihen für längere Zeit, aber ab April 2017 sinkt der monatliche Umfang von 80 auf 60 Milliarden Euro. Sie hält sich dabei ausdrücklich offen, die Verringerung wieder rückgängig zu machen, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone abkühlen sollte. Die Verlängerung des Anleihekaufprogramms stärkt die Wachstumsrate in der Eurozone, die in 2016 bei 1,7 Prozent liegt.

Für 2017 erwartet die EZB ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent und in 2018 und 2019 von jeweils 1,6 Prozent. Eine abrupte Beendigung oder ein zu starkes Abschmelzen des Quantitative Easings im April 2017 würde zu einer Verunsicherung führen, die das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in der Eurozone nachhaltig beschädigen und erneute Deflationsgefahren heraufbeschwören könnte.

Das Anleihenkaufprogramm ist notwendig für die gewollte Anhebung der Inflationsrate.

Es ist positiv, dass die Inflationsrate im Oktober 2017 in der Eurozone auf 0,5 Prozent und in Deutschland auf 0,8 Prozent gestiegen ist. Dies unterstreicht, dass die Deflationsgefahr zunächst abgewendet wurde. Um aber die als optimal geltende Inflationsrate von 2 Prozent zu erreichen, musste das Anleihekaufprogramm der EZB verlängert werden. Denn das Ansteigen der Inflationsrate in den letzten Monaten ist wesentlich auf den Ölpreis zurückzuführen.

Es ist verständlich, dass die EZB ihren gesamten geldpolitischen Instrumentenkasten nutzt, um die Inflationsrate auf 2 Prozent anzuheben. Die Notenbanken weltweit, beispielsweise in den USA, Japan und der Schweiz haben sich in dieser Frage nicht anders verhalten. Einer möglichen deflationären Entwicklung in der Eurozone ist weiterhin entschlossen entgegenzutreten. Dauerhaft niedrige oder sinkende Preise sind ein ernstzunehmendes Konjunkturrisiko. Unternehmen und Konsumenten neigen bei deflationären Tendenzen dazu, Investitionen aufzuschieben. Sollte sich die Inflations- und Wachstumsrate im Laufe des nächsten Jahres als robust erweisen, könnte ab dem Jahr 2018 ein weiteres Herunterfahren der Anleihekäufe (Tapering) mit Augenmaß fortgeführt werden.

Die Auswirkungen der EZB-Maßnahmen für den europäischen Bankensektor sind uneinheitlich. Einerseits können die Kreditinstitute zu günstigen Konditionen Zentralbankgeld aufnehmen und somit ihre Refinanzierung verbilligen. Andererseits entsteht wegen des nachhaltig niedrigen Zinsniveaus ein weiterer Druck auf die Margen im Kreditgeschäft, der durch einen schärferen Wettbewerb noch verstärkt wird. Ein Kundensturm auf schwächelnde Banken gerade in Italien wird es aufgrund der EZB-Politik nicht geben, weil die Investoren wissen, dass die EZB alles Notwendige unternehmen würde, um den italienischen Bankensektor zu retten. Aufgrund dessen waren auch die Reaktionen der Finanzmärkte nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum in Italien sehr verhalten.

Damit dämmt die EZB auch die Gefahr ein, dass sich die Unsicherheit in Italiens Bankensektor auf andere Staaten überträgt und dort zu einer Neuauflage der Bankenkrise führt. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass eine mögliche Rettung italienischer Banken den Grundsätzen des europäischen Abwicklungsmechanismus entsprechen muss. Dieser sieht insbesondere im Rahmen der Haftungskaskade ein Bail-in vor. Das heißt, in erster Linie haften Aktionäre und vermögende Gläubiger für Verluste von Banken und nicht mehr die Steuerzahler. Der Staat dürfte gemäß EU-Recht erst als letzter in der Haftungskaskade zum Zug kommen.

Deutschland täte gut daran, die günstigen Kredite für den Immobilienkauf zu erhalten.

Die Sparer müssen sich noch auf eine lange Durststrecke mit niedrigen Zinsen und steigenden Gebühren einstellen. Kleinsparer, die ihr Geld auf dem Sparbuch angelegt haben, leiden natürlich unter der Niedrigzinspolitik der EZB. Hierbei sollte man aber immer berücksichtigen, dass der deutsche Sparer in den letzten 50 Jahren in mehr als der Hälfte dieses Zeitraumes Verluste hinsichtlich des Realzinses (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) zu verzeichnen hatte. Zudem haben viele Bürgerinnen und Bürger auch offensichtliche Vorteile. So sind vor allem die Kreditzinsen für den Immobilienkauf und für Konsumentendarlehen so niedrig wie noch nie. Um diese Vorteile insbesondere im Rahmen des Immobilienerwerbs aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, die deutsche Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie bürgerfreundlich umzuformulieren. Vor allem älteren Menschen und jungen Familien muss es auch künftig möglich sein, Bankkredite für den altersgerechten Umbau, Renovierungen und den Erwerb zu erhalten.

Die europäische Politik muss bei ihren investitionsfördernden Maßnahmen nachlegen.

Die EZB hat mit ihrer Nullzinspolitik und dem Quantitative Easing geldpolitisch alles versucht, um weitere Unternehmensinvestitionen anzuregen und deflationären Tendenzen entgegenzutreten. Allerdings kann auch eine noch so ultra-lockere Geldpolitik nicht allein für Investitionen und Beschäftigung sorgen. Die geldpolitischen Maßnahmen scheinen ausgereizt zu sein. Jetzt sind mehr denn je die EU-Kommission auf europäischer Ebene und die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene gefragt, durch eine gezielte Investitions- und Wachstumspolitik die geldpolitischen Impulse zu ergänzen.

Die Ausweitung des im Jahr 2015 implementierten Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) ist hierbei ein richtiger Schritt. Der EFSI ermöglicht Investitionen in die Realwirtschaft und schafft Arbeitsplätze. So wurden bereits innovative Projekte, zum Beispiel in den Bereichen Energieeffizienz, Gesundheitswesen, Stadtentwicklung und Hochgeschwindigkeits-Breitbanddienste, unterstützt. Daher ist es richtig, ihn bis Ende des Jahres 2020 hinaus beizubehalten. Es ist in diesem Zusammenhang für die Wirksamkeit des Fonds relevant, dass die zu fördernden Projekte dem Grundsatz der Zusätzlichkeit entsprechen, um Mitnahmeeffekte weitestgehend zu vermeiden. Die Kommission sollte sich zudem künftig noch gezielter dafür einsetzen, dass der EFSI insbesondere Projekte in den südeuropäischen Mitgliedstaaten fördert, die bislang bei der Anzahl geförderter Projekte hinterherhinken.

Der Erfolg des europäischen Investitionsplans hängt neben dem Fonds an sich auch von den beiden anderen Säulen, der Investitionsberatung und dem Abbau von Investitionsbarrieren in den Mitgliedstaaten, ab. Darüber hinaus gilt es auf nationaler Ebene, die Austeritätspolitik insbesondere in den südeuropäischen Staaten zu beenden, die unter größerem konjunkturellen Druck stehen. Statt in die jeweilige Krise zu sparen, sich prozyklisch zu verhalten, die Rezession noch zu vertiefen, sollten bevorzugt Wachstumsprogramme zu mehr Investitionen beitragen, die zu einem Anstieg der Arbeitsplätze und Steuereinnahmen führen.