Steuergesetzgebung ist oft nicht so leicht zu verstehen, weil die Werte, die in Gesetzen beschlossen werden erst durch entsprechende Berechnungen zu den Werten führen, die dann von den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich bezahlt werden müssen.

Familien, Singles, Alleinerziehende und der Mittelstand sind die großen Gewinner der Steuerreform. Graphik zur Steuerentlastung.

Hauptziele der Steuerreform sind die Senkung der Arbeitslosigkeit, die Zukunftssicherung der Sozialsysteme und eine gerechtere Besteuerung.

Warum bestehen eigentlich immer noch Unklarheiten darüber, welche Steuern in welcher Höhe und für wen in welchem System gesenkt wurden? Ganz einfach: Weil alles so kompliziert ist. Trotz starker Vereinfachungen.

Und das hängt eben damit zusammen, dass zwar alle fordern, das Steuersystem zu vereinfachen – aber jeder will gleichzeitig seine eigene Situation in einer komplizierten nationalen und sehr komplexen internationalen Gesellschaft berücksichtigt sehen.

Daneben ist zu beachten, dass es in Deutschland neben der Privatperson mit ihrem Lohn oder Einkommen aus historischen Gründen zwei grundverschiedene Rechtsformen für Unternehmen gibt: Die Personengesellschaft und die Körperschaft.

Bei der Privatperson , die Lohn- und Einkommensteuer bezahlt, werden per Gesetz nicht die Steuersätze festgelegt, die wir tatsächlich auf unser gesamtes Einkommen bezahlen, also die Realsteuersätze oder Durchschnittssteuersätze, sondern die Grenzsteuersätze. Der Grenzsteuersatz gibt an, wie hoch der Steuersatz in Prozent auf die letzte Einkommensmark ist.

Die Personengesellschaft , oft etwas ungenau auch als „der Mittelstand“ bezeichnet, also Handwerksbetriebe, Freiberufler, etc., sind nicht selbständig rechtsfähige Gesellschaften, und bezahlen keine Steuern: Keine Körperschaftssteuer, keine Gewerbesteuer, keinen Solidaritätsbeitrag und keine Einkommensteuer.

Bisher bezahlten die Eigner von Personengesellschaften Gewerbesteuer. Künftig wird die Gewerbesteuer durch Verrechnung mit der Einkommensteuer fast vollständig entfallen. Eigner von Personengesellschaften zahlen dann nur noch Einkommensteuer und den Solidaritätsbeitrag, wie jeder Angestellte oder Arbeiter auch.

Aus diesem Grund – keine Körperschaftsteuer, fast keine Gewerbesteuer – hat die Einkommensteuerreform dem Mittelstand in seiner Rechtsform Personengesellschaft ebenso geholfen wie allen Arbeitnehmern. Dass eine Gesellschaft durch eine spezielle Steuersenkung, hier die Körperschaftsteuer, keine Entlastung erfahren kann, weil sie diese Steuerart gar nicht bezahlt, versteht sich von selbst.

So sind zunächst die folgenden drei Kernpunkte der Steuerreform für den Mittelstand genauso wie für private Lohn- und Einkommensbezieher wesentlich:

  1. Die „Verlängerung der Nullzone“, auch Existenzminimum, also der Betrag, für den überhaupt keine Steuer bezahlt werden muss: früher 12.000 DM, künftig 15.000 DM.
  2. Die Absenkung des Eingangssteuersatzes von noch 25,9 Prozent unter Kohl auf 15 Prozent im Jahr 2005.
  3. Die Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 Prozent im Jahr 1998 für Einkommen über 102.000 DM (verheiratet 204.000 DM) auf 42 Prozent

Im Privatbereich wird so die Nachfrage nach Verbrauchsgütern gestärkt, weil sich die Menschen mehr leisten können. Dabei ist übrigens die Ökosteuer, gemessen an dieser Entlastung, fast vernachlässigbar: Pro Jahr stehen der Ökosteuer einer Familie mit zwei Kindern von ca. 300 DM im Vergleich 1998 mit 2005 eine Steuer- und Familienentlastung von ca. 4.000 DM gegenüber. Abgesehen davon fließt die Ökosteuer ja durch den abgesenkten Versicherungsbeitrag für die Rente wieder zurück.

Um einige Beispiele zu geben: Ein Unverheirateter mit 50.000 DM Bruttoeinkommen spart im Jahr 2005 im Vergleich zu diesem Jahr 1.691 DM Einkommensteuer. Eine allein stehende Mutter, die 60.000 DM verdient, spart künftig sogar 1.852 DM. Ein verheirateter Ingenieur ohne Kinder hat bei einem Familieneinkommen von 80.000 im Jahr 2005 DM 2.689 DM mehr im Geldbeutel, eine verheiratete Angestellte mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen der Familie von 70.000 DM zahlt 2.408 DM weniger Steuern als im Jahr 2000.

Bei den Körperschaften , also insbesondere Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), sieht es dagegen ganz anders aus. Körperschaften bezahlen Körperschaftsteuer, Gewerbeertragsteuer und den Solidaritätszuschlag. Körperschaften müssen also auf der Ebene der Gesellschaft ihren Gewinn versteuern.

Durch ein neues Besteuerungsverfahren gibt es aber deutliche Verbesserungen sowohl bei der Unternehmens- als auch bei der Dividendenbesteuerung. Das komplizierte und für Missbräuche anfällige Vollanrechnungsverfahren wird durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt. Die Gliederungsrechnung entfällt langfristig. Das sind bedeutsame Vereinfachungen.

Im Unternehmensbereich sind folgende Kernpunkte wichtig:

  1. Vereinheitlichung und deutliche Senkung der Steuer auf den Gewinn der Unternehmen – definitiv 25% für einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne.
  2. Nur die Hälfte der Dividenden werden bei der Einkommensteuer der Anteilseigner besteuert. (Halbeinkünfteverfahren)
  3. Veräußerungsgewinne eines Anteilseigners aus anderen Kapitalgesellschaften werden erst besteuert wenn diese die Unternehmenssphäre verlassen.

Im Unternehmensbereich wird so die Investitionsbereitschaft bzw. die Nachfrage nach Investitionsgütern gestärkt.

Zusammengefasst bedeutet das: Während es in der Rechtsform einer Personengesellschaft nur eine Besteuerungsebene gibt, den Inhaber, existieren im Bereich der Körperschaften, also bei GmbHs und Aktiengesellschaften, zwei Besteuerungsebenen. Eine ist die Ebene der Körperschaft, die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zu bezahlen hat. Die andere ist die Ebene der Anteilseigner, die Einkommensteuer zu bezahlen haben.

Deshalb sind auch die Steuersätze in diesen beiden völlig verschiedenen Systemen nicht vergleichbar. Fehlendes Verständnis für den Hintergrund dieser Zusammenhänge war eine der Hauptursachen, warum der CDU-Fraktionsvorsitzende Merz im Vermittlungsverfahren fachlich scheitern musste

Ein grundlegender positiver Effekt der Reformen in mehreren Schritten zwischen 1998 und 2003 ist die deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für arbeitsplatzschaffende Wirkungen. Die Menschen können mehr Geld für ihren persönlichen Bedarf ausgeben, die Industrie und der Mittelstand können mehr investieren. Beides sind zentrale Wachstumsimpulse und gute Voraussetzungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Alles in allem bedeutet dies, ausgenommen einige wenige Großkonzerne, Atomkraftwerksbetreiber und Versicherungen, eine spürbare Entlastung für fast alle Steuerzahlenden.

Grenzsteuersatz, Existenzminimum, Eingangssteuersatz, Durchschnittssteuersatz

Der Grenzsteuersatz ist jeweils der Steuersatz, der für die letzte Einkommensmark zu bezahlen ist. Die Grenzsteuersätze werden in einer Grenzsteuersatz-Kurve dargestelt. Als Beispiel nehmen wir jemand der soviel verdient, dass er den höchsten Grenzsteuersatz, also den Spitzensteuersatz, zu bezahlen hat. Jemand der 120.000 DM im Jahr zu versteuern hat, zahlt seit 1.1.2001 den Spitzensteuersatz von 48,5%. Aber dieser hohe Prozentsatz muss nur für die letzten 54 DM bezahlt werden. Warum gerade 54 DM? Weil die Schritte in der Steuertabelle eine Schrittweite von 54 DM haben. Die schnelle Rechnung: Verdienst 120.000 DM, 48,5% Steuersatz ergibt knapp 60.000 Einkommensteuer führt zu einem falschen Ergebnis. Inzwischen sind die 54,- DM Schritte abgeschafft und die jeweiligen Werte werden kontinuierlich mit Hilfe einer Formel bestimmt.

Schauen wir, wie hoch der Steuersatz für die erste verdiente Mark unseres 120.000DM Verdieners ist. Der Prozentsatz ist Null. Das kommt daher, dass jeder Mensch in Deutschland für einen bestimmten Teil seines Einkommens, dem Existenzminimum Graphik keine Steuern zu bezahlen hat. Dieses Existenzminimum, auch Nullzone genannt, beträgt im Moment 14.000 DM. Erst wer eine Mark mehr als das Existenzminimum verdient, muss Steuern bezahlen.

Und zwar muss für die ersten 54 DM oberhalb des Existenzminimums der sogenannte Eingangssteuersatz Graphik bezahlt werden. Eingangssteuersatz, weil das der erste Steuersatz ist der oberhalb einer bestimmten Schwelle, dem Existenzminimum zu bezahlen ist. Der Eingangssteuersatz beträgt seit Beginn dieses Jahres 19,9%. Nun schauen wir nach, z.B. in der Steuertabelle, welche weiteren Steuern unser 120.000 DM Verdiener zu bezahlen hat. Für jede 54 DM muss er einen anderen Steuersatz bezahlen. Also für die ersten 54 DM oberhalb des Existenzminimums, wie gesagt 19,9%, für die jeweils nächsten 54 DM etwas höhere Steuersätze und so geht es weiter, bis er für die letzten 54 DM seines Verdientes bei 48,5% angekommen ist. Nun werden alle Steuerbeträge für die vielen 54 DM Schritte addiert und schon haben wir die Steuern, die er bezahlen muss.

In unserem Fall sind das 37.562 DM. Dieser Steuerbetrag entspricht also einem Prozentsatz von 31,3 % von seinem Einkommen. Dieser Steuersatz heißt dann Realsteuersatz bzw. Durchschnittssteuersatz Graphik. Und dieser Steuersatz ist für alle wichtig, weil nur er schnell zeigt, wieviel Prozent Steuern ich bezahlen muss.

In der Politik beschlossen bzw. im Gesetz formuliert stehen aber nur die Höhe des Existenzminimums, der Eingangssteuersatz und der Spitzensteuersatz Graphik und in einer Formel die Schrittweite und die Steigerung der Prozentsätze für die einzelnen 54 DM Schritte. Wegen dieser Steigerung , bei uns heute zwischen 19,9 und 48,5% heißt diese Zone in der Grenzsteuerkurve auch Progressionskurve oder Progressionszone.